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Text File  |  1998-03-14  |  112KB  |  2,195 lines

  1. Das Buch Hiob.
  2.  
  3. \1\
  4. Gerechtigkeit des Hiob, sein Wohlstand und seine Sorge um die
  5. Gottesfurcht seiner Kinder.
  6.  
  7. $1$ Es war ein Mann im Lande Uz, sein Name war Hiob. Und
  8. dieser Mann war rechtschaffen und redlich und gottesfürchtig und
  9. mied das Böse. $2$ Ihm wurden sieben Söhne und drei Töchter
  10. geboren. $3$ Und sein Besitz bestand aus siebentausend Schafen
  11. und dreitausend Kamelen und fünfhundert Gespannen Rinder und
  12. fünfhundert Eselinnen, und [sein] Gesinde war sehr zahlreich, so
  13. daβ dieser Mann gröβer war als alle Söhne des Ostens.
  14.  
  15. $4$ Nun pflegten seine Söhne hinzugehen und Gastmahl zu halten
  16. - der Reihe nach im Haus eines jeden. [Dazu] sandten sie hin und
  17. luden ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu
  18. trinken. $5$ Und es geschah, wenn die Tage des Gastmahls
  19. reihumgegangen waren, da sandte Hiob hin und heiligte sie: Früh
  20. am Morgen stand er auf und opferte Brandopfer nach ihrer aller
  21. Zahl. Denn Hiob sagte [sich]: Vielleicht haben meine Söhne
  22. gesündigt und in ihrem Herzen Gott geflucht. So machte es Hiob
  23. all die Tage [nach den Gastmählern].
  24.  
  25. \1\
  26. Vorsprache des Satan bei Gott - Hiobs Bewährung nach Verlust von
  27. Vieh, Knechten, Söhnen und Töchtern.
  28.  
  29. $6$ Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um
  30. sich vor dem HERRN einzufinden. Und auch der Satan kam in ihrer
  31. Mitte. $7$ Und der HERR sprach zum Satan: Woher kommst du? Und
  32. der Satan antwortete dem HERRN und sagte: Vom Durchstreifen der
  33. Erde und vom Umherwandern auf ihr. $8$ Und der HERR sprach zum
  34. Satan: Hast du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es gibt
  35. keinen wie ihn auf Erden - ein Mann, so rechtschaffen und
  36. redlich, der Gott fürchtet und das Böse meidet! $9$ Und der
  37. Satan antwortete dem HERRN und sagte: Ist Hiob [etwa] umsonst so
  38. gottesfürchtig? $10$ Hast du selbst nicht ihn und sein Haus
  39. und alles, was er hat, rings umhegt? Das Werk seiner Hände hast
  40. du gesegnet, und sein Besitz hat sich im Land ausgebreitet.
  41. $11$ Strecke jedoch nur einmal deine Hand aus und taste alles
  42. an, was er hat, ob er dir nicht ins Angesicht flucht! $12$ Da
  43. sprach der HERR zum Satan: Siehe, alles, was er hat, ist in
  44. deiner Hand. Nur gegen ihn [selbst] strecke deine Hand nicht
  45. aus! Und der Satan ging vom Angesicht des HERRN fort.
  46.  
  47. $13$ Und es geschah eines Tages, als seine Söhne und seine
  48. Töchter im Haus ihres erstgeborenen Bruders aβen und Wein
  49. tranken, $14$ da kam ein Bote zu Hiob und sagte: Die Rinder
  50. waren gerade beim Pflügen, und die Eselinnen weideten neben
  51. ihnen, $15$ da fielen Sabäer ein und nahmen sie weg und die
  52. Knechte erschlugen sie mit der Schärfe des Schwertes. Ich aber
  53. bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten. $16$
  54. Noch redete der, da kam ein anderer und sagte: Feuer Gottes fiel
  55. vom Himmel, brannte unter den Schafen und den Knechten und
  56. verzehrte sie. Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir
  57. zu berichten. $17$ Noch redete der, da kam ein anderer und
  58. sagte: [Die] Chaldäer hatten drei Abteilungen aufgestellt und
  59. sind über die Kamele hergefallen und haben sie weggenommen, und
  60. die Knechte haben sie mit der Schärfe des Schwertes erschlagen.
  61. Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
  62. $18$ Während der [noch] redete, da kam ein anderer und sagte:
  63. Deine Söhne und deine Töchter aβen und tranken Wein im Haus
  64. ihres erstgeborenen Bruders. $19$ Und siehe, ein starker Wind
  65. kam von jenseits der Wüste her und stieβ an die vier Ecken des
  66. Hauses. Da fiel es auf die jungen Leute, und sie starben. Ich
  67. aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten. -
  68. $20$ Da stand Hiob auf und zerriβ sein Obergewand und schor
  69. sein Haupt; und er fiel auf die Erde und betete an. $21$ Und
  70. er sagte: Nackt bin ich aus meiner Mutter Leib gekommen, und
  71. nackt kehre ich dahin zurück. Der HERR hat gegeben, und der HERR
  72. hat genommen, der Name des HERRN sei gepriesen! $22$ Bei
  73. alldem sündigte Hiob nicht und legte Gott nichts Anstöβiges zur
  74. Last.
  75.  
  76. \2\
  77. Vorsprache Satans bei Gott - Hiobs Bewährung nach Verlust der
  78. Gesundheit.
  79.  
  80. $1$ Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um
  81. sich vor dem HERRN einzufinden. Und auch der Satan kam in ihrer
  82. Mitte, um sich vor dem HERRN einzufinden. $2$ Und der HERR
  83. sprach zum Satan: Von woher kommst du? Und der Satan antwortete
  84. dem HERRN und sagte: Vom Durchstreifen der Erde und vom
  85. Umherwandern auf ihr. $3$ Und der HERR sprach zum Satan: Hast
  86. du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es gibt keinen wie
  87. ihn auf Erden, - ein Mann, so rechtschaffen und redlich, der
  88. Gott fürchtet und das Böse meidet! Und noch hält er fest an
  89. seiner Rechtschaffenheit. Und dabei hattest du mich gegen ihn
  90. aufgereizt, ihn ohne Grund zu verschlingen. $4$ Da antwortete
  91. der Satan dem HERRN und sagte: Haut für Haut! Alles, was der
  92. Mensch hat, gibt er für sein Leben. $5$ Strecke jedoch nur
  93. einmal deine Hand aus und taste sein Gebein und sein Fleisch an,
  94. ob er dir nicht ins Angesicht flucht! $6$ Da sprach der HERR
  95. zum Satan: Siehe, er ist in deiner Hand. Nur schone sein Leben!
  96. $7$ Und der Satan ging vom Angesicht des HERRN fort und schlug
  97. Hiob mit bösen Geschwüren, von seiner Fuβsohle bis zu seinem
  98. Scheitel. $8$ Und er nahm eine Tonscherbe, um sich damit zu
  99. schaben, während er mitten in der Asche saβ. $9$ Da sagte
  100. seine Frau zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Vollkommenheit?
  101. Fluche Gott und stirb! $10$ Er aber sagte zu ihr: Wie eine der
  102. Törinnen redet, so redest auch du. Das Gute nehmen wir von Gott
  103. an, da sollten wir das Böse nicht auch annehmen? Bei alldem
  104. sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen.
  105.  
  106. \2\
  107. Besuch der Freunde bei Hiob.
  108.  
  109. $11$ Es hatten nun die drei Freunde Hiobs von all diesem
  110. Unglück gehört, das über ihn gekommen war. Da kamen sie, jeder
  111. aus seinem Ort: Elifas, der Temaniter, und Bildad, der
  112. Schuchiter, und Zofar, der Naamatiter. Und sie verabredeten sich
  113. miteinander hinzugehen, um ihm ihre Teilnahme zu bekunden und
  114. ihn zu trösten. $12$ Als sie aber von fern ihre Augen erhoben,
  115. erkannten sie ihn nicht [mehr]. Da erhoben sie ihre Stimme und
  116. weinten, und sie zerrissen ein jeder sein Obergewand und
  117. streuten Staub himmelwärts auf ihre Häupter. $13$ Und sie
  118. saβen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte lang.
  119. Und keiner redete ein Wort zu ihm, denn sie sahen, daβ der
  120. Schmerz sehr groβ war.
  121.  
  122. \3\
  123. Hiobs verzweifelte Klage.
  124.  
  125. $1$ Danach öffnete Hiob seinen Mund und verfluchte seinen Tag.
  126. $2$ Und Hiob begann und sagte: $3$ Vergehen soll der Tag, an
  127. dem ich geboren wurde, und die Nacht, die sprach: Ein Junge
  128. wurde empfangen! $4$ Dieser Tag sei Finsternis! Gott in der
  129. Höhe soll nicht nach ihm fragen, und kein Licht soll über ihm
  130. glänzen! $5$ Dunkel und Finsternis sollen ihn für sich
  131. fordern, Regenwolken sollen sich über ihm lagern,
  132. Verfinsterungen des Tages ihn erschrecken! $6$ Diese Nacht -
  133. Dunkelheit ergreife sie! Sie freue sich nicht unter den Tagen
  134. des Jahres, in die Zahl der Monate komme sie nicht! $7$ Siehe,
  135. diese Nacht sei unfruchtbar, kein Jubel soll in sie
  136. hineinkommen! $8$ Es sollen sie die verwünschen, die den Tag
  137. verfluchen, die fähig sind, den Leviatan zu reizen! $9$
  138. Verfinstert seien die Sterne ihrer Dämmerung; sie hoffe auf
  139. Licht, und da sei keines; und sie schaue nicht die Wimpern der
  140. Morgenröte! $10$ Denn sie hat die Pforte meines Mutterschoβes
  141. nicht verschlossen und Unheil nicht vor meinen Augen verborgen.
  142. $11$ Warum starb ich nicht von Mutterleib an, verschied ich
  143. nicht, als ich aus dem Schoβ hervorkam? $12$ Weshalb kamen
  144. Knie mir entgegen und wozu Brüste, daβ ich sog?
  145.  
  146. $13$ Denn dann läge ich [jetzt] da und wäre still. Ich
  147. schliefe - dann hätte ich Ruhe - $14$ mit Königen und
  148. Ratgebern der Erde, die sich Trümmerstätten erbauten, $15$
  149. oder mit Obersten, die Gold hatten, die ihre Häuser mit Silber
  150. füllten. $16$ Oder wie eine verscharrte Fehlgeburt wäre ich
  151. nicht da, wie Kinder, die das Licht nie erblickt haben. $17$
  152. Dort lassen die Gottlosen ab vom Toben, und dort ruhen die,
  153. deren Kraft erschöpft ist. $18$ Sorglos sind [dort] die
  154. Gefangenen allesamt, sie hören nicht mehr die Stimme des
  155. Treibers. $19$ Klein und Groβ sind dort gleich, und der Knecht
  156. ist frei von seinem Herrn.
  157.  
  158. $20$ Warum gibt er dem Mühseligen Licht und Leben den
  159. Verbitterten $21$ - [denen], die auf den Tod warten, und er
  160. ist nicht da, und die nach ihm graben mehr als nach verborgenen
  161. Schätzen, $22$ die sich bis zum Jubel freuen würden, Wonne
  162. hätten, wenn sie das Grab fänden -, $23$ dem Mann, dem sein
  163. Weg verborgen ist und den Gott von allen Seiten eingeschlossen
  164. hat? $24$ Denn [noch] vor meinem Brot kommt mein Seufzen, und
  165. wie Wasser ergieβt sich mein Schreien. $25$ Denn ich fürchtete
  166. einen Schrecken, und er traf mich, und wovor mir bangte, das kam
  167. über mich. $26$ Ich hatte [noch] keine Ruhe und hatte [noch]
  168. keinen Frieden, und ich konnte [noch] nicht ausruhen - da kam
  169. ein Toben.
  170.  
  171. \4\
  172. Erste Rede des Elifas: Kein Leiden ohne Schuld - Kein
  173. Schuldloser vor Gott.
  174.  
  175. $1$ Und Elifas von Teman antwortete und sagte:
  176.  
  177. $2$ Wenn man ein Wort an dich versucht, wird es dich ermüden?
  178. Aber Worte zurückhalten, wer könnte das? $3$ Siehe, du hast
  179. viele zurechtgebracht, und ermattete Hände hast du gestärkt.
  180. $4$ Den Stürzenden richteten deine Worte auf, und wankende
  181. Knie hast du stark gemacht. $5$ Doch nun kommt es an dich, und
  182. es ermüdet dich; es trifft dich, und du bist bestürzt. $6$ Ist
  183. nicht deine [Gottes]furcht deine Zuversicht, die Vollkommenheit
  184. deiner Wege deine Hoffnung? $7$ Bedenke doch: Wer ist [je] als
  185. Unschuldiger umgekommen, und wo sind Rechtschaffene vertilgt
  186. worden? $8$ So wie ich es gesehen habe: Die Unheil pflügen und
  187. Mühsal säen, die ernten es. $9$ Vom Odem Gottes kommen sie um,
  188. und vom Hauch seiner Nase vergehen sie. $10$ Das Brüllen des
  189. Löwen und die Stimme des Junglöwen [sind verstummt], und die
  190. Zähne der jungen Löwen sind ausgebrochen. $11$ Der Löwe kommt
  191. um aus Mangel an Beute, und die Jungen der Löwin werden
  192. zerstreut.
  193.  
  194. $12$ Ein Wort stahl sich zu mir, und mein Ohr vernahm ein
  195. Geflüster davon. $13$ In beunruhigenden Gedanken, [wie sie]
  196. aus Nachtgesichten [entstehen], wenn tiefer Schlaf auf Menschen
  197. fällt, $14$ kam Schrecken und Zittern über mich, und
  198. durchschauerte alle meine Gebeine. $15$ Und ein Hauch fuhr an
  199. meinem Gesicht vorbei, das Haar an meinem Leib sträubte sich.
  200. $16$ Da stand jemand, und ich erkannte sein Aussehen nicht,
  201. eine Gestalt war vor meinen Augen, ein leises Wehen und eine
  202. Stimme hörte ich:
  203.  
  204. $17$ Sollte ein Mensch gerechter sein als Gott oder ein Mann
  205. reiner als sein Schöpfer? $18$ Siehe, [selbst] seinen Knechten
  206. vertraut er nicht, und seinen Engeln legt er Irrtum zur Last:
  207. $19$ wieviel mehr denen, die in Lehmhäusern wohnen [und] deren
  208. Grund im Staub ist! Wie Motten werden sie zertreten. $20$ Vom
  209. Morgen bis zum Abend werden sie zerschmettert. Ohne einen Namen
  210. kommen sie um auf ewig. $21$ Nicht wahr? Wird ihr Zeltstrick
  211. an ihnen losgerissen, so sterben sie, und [zwar] nicht in
  212. Weisheit.
  213.  
  214. \5\
  215. Warnung vor Unmut - Empfehlung von Demut und Beugung vor Gott.
  216.  
  217. $1$ Ruf doch, ob da einer ist, der dir antwortet! Und an wen
  218. von den Heiligen willst du dich wenden? $2$ Denn den Toren
  219. bringt der Gram um, und den Einfältigen tötet der Eifer. $3$
  220. Ich, ich sah einen Narren Wurzel schlagen, und sogleich
  221. verwünschte ich seine Wohnung. $4$ Fern vom Heil bleiben seine
  222. Kinder, und sie werden im Tor zertreten, und kein Retter ist da.
  223. $5$ Seine Ernte verzehrt der Hungrige, und selbst aus den
  224. Dornhecken holt er sie weg; und nach ihrem Vermögen schnappen
  225. Durstige. $6$ Denn nicht kommt aus dem Staub Unheil hervor,
  226. und aus der Erde sproβt nicht Mühsal; $7$ sondern der Mensch
  227. ist zur Mühsal geboren, wie die Funken nach oben fliegen.
  228.  
  229. $8$ Ich jedoch würde Gott suchen und meine Sache vor Gott
  230. darlegen, $9$ der Groβes und Unerforschliches tut, Wunder bis
  231. zur Unzahl, $10$ der Regen gibt auf die Fläche der Erde und
  232. Wasser sendet auf die Fläche des Feldes, $11$ um Niedrige in
  233. die Höhe zu bringen; und Trauernde gewinnen hohes Glück. $12$
  234. Er vereitelt die Anschläge der Klugen, und ihre Hände wirken
  235. keinen Erfolg. $13$ Er fängt die Weisen in ihrer Klugheit, und
  236. der Rat der Hinterlistigen überstürzt sich. $14$ Am Tag stoβen
  237. sie auf Finsternis, und am Mittag tasten sie umher wie in der
  238. Nacht. $15$ Und er rettet vor dem Schwert, vor ihrem Mund und
  239. vor der Hand des Starken den Armen. $16$ So wird dem Geringen
  240. Hoffnung, und die Schlechtigkeit schlieβt ihren Mund.
  241.  
  242. $17$ Siehe, glücklich ist der Mensch, den Gott zurechtweist!
  243. So verwirf [denn] nicht die Züchtigung des Allmächtigen! $18$
  244. Denn er bereitet Schmerz und verbindet, er zerschlägt, und seine
  245. Hände heilen. $19$ In sechs Nöten wird er dich retten, und in
  246. sieben wird dich nichts Böses antasten. $20$ In Hungersnot
  247. kauft er dich los vom Tod und im Krieg von der Gewalt des
  248. Schwertes. $21$ Vor der Geiβel der Zunge wirst du geborgen
  249. sein, und du wirst dich nicht fürchten vor der Verwüstung, wenn
  250. sie kommt. $22$ Über Verwüstung und Hunger wirst du lachen,
  251. und vor dem [Raub]wild der Erde wirst du dich nicht fürchten.
  252. $23$ Denn dein Bund wird mit den Steinen des Feldes sein, und
  253. das [Raub]wild des Feldes wird Frieden mit dir haben. $24$ Und
  254. du wirst erkennen, daβ dein Zelt in Frieden ist. Und schaust du
  255. nach deiner Wohnung, so wirst du nichts vermissen. $25$ Und du
  256. wirst erkennen, daβ deine Nachkommen zahlreich sein werden und
  257. deine Spröβlinge wie das Kraut der Erde. $26$ Du wirst in
  258. Rüstigkeit ins Grab kommen, wie die Garben eingebracht werden zu
  259. ihrer Zeit. $27$ Siehe, dies haben wir erforscht, so ist es.
  260. Höre es doch, und merke du es dir!
  261.  
  262. Hiobs Antwort: Rechtfertigung seines Klagens mit der Schwere
  263. seines Leidens - Wunsch nach schnellem Tod - Klage über die
  264. Härte der Freunde.
  265.  
  266. \6\
  267.  
  268. $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
  269.  
  270. $2$ Würde man meinen Kummer doch wiegen, abwiegen und mein
  271. Verderben gleichzeitig auf die Waage legen! $3$ Denn nun ist
  272. es schwerer als der Sand der Meere; darum sind meine Worte
  273. unbesonnen. $4$ Denn die Pfeile des Allmächtigen sind in mir,
  274. mein Geist trinkt ihr Gift; die Schrecken Gottes greifen mich
  275. an. $5$ Schreit ein Wildesel beim frischen Gras, oder brüllt
  276. ein Stier bei seinem Futter? $6$ Wird Fades ohne Salz
  277. gegessen? Oder ist Geschmack in dem Schleim um den Dotter? $7$
  278. Meine Seele weigert sich, es anzurühren, sie ekelt sich vor der
  279. Krankheit meines Brotes. $8$ O daβ sich doch meine Bitte
  280. erfüllte und Gott mein Verlangen gewährte! $9$ Daβ Gott sich
  281. dazu entschlösse, mich zu zertreten, daβ er seine Hand abzöge
  282. und mich vernichtete! $10$ So wäre noch mein Trost, und ich
  283. würde jubeln in schonungsloser Qual, daβ ich die Worte des
  284. Heiligen nicht verleugnet habe. $11$ Was ist meine Kraft, daβ
  285. ich warten, und was ist mein Ende, daβ ich mich gedulden sollte?
  286. $12$ Ist [denn] meine Kraft die Kraft von Steinen, oder ist
  287. mein Fleisch aus Bronze? $13$ Ist es nicht so, daβ keine
  288. [eigene] Hilfe in mir ist und [jedes] Gelingen aus mir
  289. vertrieben ist?
  290.  
  291. $14$ Wer seinem Freund die Treue versagt, der verläβt die
  292. Furcht des Allmächtigen. $15$ Meine Brüder haben treulos
  293. gehandelt wie ein Wildbach, wie das Bett der Wildbäche, die
  294. vergehen. $16$ Sie sind trübe von Eis, der Schnee verläuft
  295. sich in sie. $17$ Zur Zeit, wenn sie wasserarm werden,
  296. versiegen sie. Wenn es heiβ wird, sind sie von ihrer Stelle
  297. weggetrocknet. $18$ Es werden Karawanen abgelenkt von ihrem
  298. Weg, ziehen hinauf in die Öde und kommen um. $19$ Die
  299. Karawanen von Tema hielten Ausschau, die Handelszüge von Saba
  300. hofften auf sie. $20$ Sie wurden beschämt, weil sie [auf sie]
  301. vertraut hatten, sie kamen hin und wurden zuschanden. $21$ So
  302. seid ihr jetzt für mich geworden. Ihr seht Schreckliches und
  303. fürchtet euch. $22$ Habe ich etwa gesagt: Gebt mir und macht
  304. mir ein Geschenk von eurem Vermögen $23$ und befreit mich aus
  305. der Hand des Bedrängers und erlöst mich aus der Hand der
  306. Gewalttätigen?
  307.  
  308. $24$ Belehrt mich, so will ich schweigen! Und macht mir klar,
  309. worin ich geirrt habe! $25$ Wie könnten aufrichtige Worte
  310. kränkend sein! Aber was weist die Zurechtweisung von euch
  311. [schon] zurecht? $26$ Gedenkt ihr Worte zurechtzuweisen? Für
  312. den Wind sind ja die Reden eines Verzweifelnden! $27$ Sogar
  313. eine Waise würdet ihr verlosen, und um euren Freund würdet ihr
  314. feilschen. $28$ Und nun, entschlieβt euch! Wendet euch zu mir!
  315. Ich werde euch doch nicht ins Angesicht lügen. $29$ Kehrt doch
  316. um, damit kein Unrecht geschieht! Ja, kehrt um, noch bin ich
  317. hier im Recht! $30$ Ist etwa Unrecht auf meiner Zunge? Oder
  318. sollte mein Gaumen Verderben nicht spüren?
  319.  
  320. \7\
  321. Klage über das menschliche Dasein, über sein Los und über Gottes
  322. Unbarmherzigkeit - Bitte an Gott um Schonung.
  323.  
  324. $1$ Hat der Mensch nicht einen harten Dienst auf Erden, und
  325. sind seine Tage nicht wie die Tage eines Tagelöhners? $2$ Wie
  326. ein Knecht, der sich nach Schatten sehnt, und wie ein
  327. Tagelöhner, der auf seinen Lohn wartet, $3$ so habe ich
  328. gehaltlose Monate erhalten, und Nächte voll Unheil wurden mir
  329. zugeteilt. $4$ Wenn ich mich niederlegte, so sagte ich: Wann
  330. kann ich aufstehen? - Und der Abend zieht sich hin, und ich bin
  331. gesättigt mit Unrast bis zur Morgendämmerung. $5$ Mein Fleisch
  332. ist bekleidet mit Maden und Schorf, meine Haut [ist kaum]
  333. verharscht und eitert [schon wieder]. $6$ Meine Tage gleiten
  334. schneller dahin als ein Weberschiffchen und schwinden ohne
  335. Hoffnung.
  336.  
  337. $7$ Bedenke, daβ mein Leben ein Hauch ist! Mein Auge wird kein
  338. Glück mehr sehen. $8$ Das Auge dessen, der mich sehen will,
  339. wird mich nicht [mehr] gewahren. [Richtest du] deine Augen auf
  340. mich, so bin ich nicht [mehr]. $9$ Die Wolke schwindet und
  341. vergeht; so steigt, wer in den Scheol hinabfährt, nicht wieder
  342. herauf. $10$ Zu seinem Haus kehrt er nicht mehr zurück, und
  343. seine Stätte weiβ nichts mehr von ihm. $11$ So will auch ich
  344. meinen Mund nicht zurückhalten, will reden in der Bedrängnis
  345. meines Geistes, will klagen in der Verbitterung meiner Seele.
  346.  
  347. $12$ Bin ich das Meer oder ein Seeungeheuer, daβ du eine Wache
  348. gegen mich aufstellst? $13$ Wenn ich sagte: Mein Bett soll
  349. mich trösten, mein Lager wird meinen Kummer tragen helfen! -
  350. $14$ so entmutigst du mich mit Träumen, und durch Gesichte
  351. schreckst du mich auf, $15$ so daβ meine Seele Erstickung
  352. vorzieht, den Tod [lieber hat] als meine Gebeine. $16$ Ich mag
  353. nicht mehr - nicht ewig will ich leben! Laβ ab von mir! Meine
  354. Tage sind nur noch ein Hauch. $17$ Was ist der Mensch, daβ du
  355. ihn groβ achtest und daβ du dein Herz auf ihn richtest $18$
  356. und ihn alle Morgen heimsuchst, ihn alle Augenblicke prüfst?
  357. $19$ Wie lange [noch] willst du nicht von mir wegblicken,
  358. nicht [einmal solange] von mir ablassen, bis ich meinen Speichel
  359. heruntergeschluckt habe? $20$ Habe ich gesündigt? Was tat ich
  360. dir an, du Wächter der Menschen? Warum hast du mich dir zur
  361. Zielscheibe gesetzt, und [warum] werde ich mir zur Last? $21$
  362. Warum vergibst du [mir] nicht mein Verbrechen und läβt meine
  363. Schuld [nicht] vorübergehen? Denn nun werde ich mich in den
  364. Staub legen, und suchst du nach mir, so bin ich nicht mehr.
  365.  
  366. \8\
  367. Erste Rede des Bildad: Gottes Gerechtigkeit in Strafe und Güte -
  368. Untergang der Gottlosen - Segen durch Buβe.
  369.  
  370. $1$ Und Bildad von Schuach antwortete und sagte:
  371.  
  372. $2$ Wie lange willst du noch so [etwas] künden, und [wie
  373. lange] sollen die Worte deines Mundes heftiger Wind sein? $3$
  374. Wird Gott [etwa] das Recht beugen, oder wird der Allmächtige die
  375. Gerechtigkeit beugen? $4$ Haben deine Söhne gegen ihn
  376. gesündigt, so lieferte er sie ihrer Übertretung aus. $5$ Wenn
  377. du Gott eifrig suchst und zum Allmächtigen um Gnade flehst,
  378. $6$ wenn du lauter und aufrichtig bist, ja, dann wird er
  379. deinetwegen aufwachen und die Wohnung deiner Gerechtigkeit
  380. wiederherstellen. $7$ Und dein Anfang wird gering
  381. [erscheinen], aber dein Ende wird er sehr groβ machen. $8$
  382. Denn befrage doch die vorige Generation und habe acht auf das,
  383. was ihre Väter erforscht haben! - $9$ Denn wir sind von
  384. gestern und erkennen nichts, denn ein Schatten sind unsere Tage
  385. auf der Erde. - $10$ Werden diese dich nicht belehren, es dir
  386. sagen und Worte aus ihrem Herzen hervorbringen?
  387.  
  388. $11$ Schieβt Schilfrohr auf, wo kein Sumpf ist? Wächst
  389. Riedgras empor ohne Wasser? $12$ Noch treibt es Knospen, noch
  390. ist es nicht zum Schneiden reif, da verdorrt es [schon] vor
  391. allem anderen Gras. $13$ So sind die Pfade aller, die Gott
  392. vergessen; und des Ruchlosen Hoffnung geht zugrunde. $14$
  393. Seine Zuversicht ist ein dünner Faden, und ein Spinngewebe ist
  394. das, worauf er vertraut. $15$ Er stützt sich auf sein Haus,
  395. aber es hält nicht stand; er hält sich daran fest, aber es
  396. bleibt nicht stehen. $16$ Voll Saft steht er in der Sonne, und
  397. seine Triebe ranken sich durch seinen Garten, $17$ über
  398. Steinhaufen schlingen sich seine Wurzeln, zwischen Steinen lebt
  399. er. $18$ Reiβt man ihn aus von seiner Stelle, so verleugnet
  400. sie ihn: Ich habe dich nie gesehen! $19$ Siehe, das ist die
  401. Freude seines Weges; und aus dem Staub sproβt ein anderer hervor
  402. .
  403.  
  404. $20$ Siehe, Gott wird den Rechtschaffenen nicht verwerfen und
  405. die Übeltäter nicht an die Hand nehmen. $21$ Während er deinen
  406. Mund mit Lachen füllen wird und deine Lippen mit Jubel, $22$
  407. werden die, die dich hassen, mit Schande bekleidet werden, und
  408. das Zelt der Gottlosen wird nicht mehr sein.
  409.  
  410. \9\
  411. Hiobs Antwort: Unmöglichkeit, bei Gott Recht zu erlangen.
  412.  
  413. $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
  414.  
  415. $2$ Wahrlich, ich habe erkannt, daβ es so ist. Und wie könnte
  416. ein Mensch vor Gott gerecht sein? $3$ Wenn er Lust hat, mit
  417. ihm in einen Rechtsstreit zu treten, so könnte er ihm auf
  418. tausend nicht eins antworten. $4$ Der weise ist von Herzen und
  419. stark an Kraft - wer trotzte ihm und blieb unversehrt? - $5$
  420. der Berge versetzt, ohne daβ sie es erkennen, indem er sie
  421. umstürzt in seinem Zorn; $6$ der aufstört die Erde von ihrer
  422. Stätte, daβ ihre Säulen erzittern; $7$ der zur Sonne spricht,
  423. und sie geht nicht auf, und die Sterne versiegelt er; $8$ der
  424. die Himmel ausspannt, er allein, und schreitet auf den Wogen des
  425. Meeres; $9$ der den Groβen Bären gemacht hat, den Orion und
  426. das Siebengestirn und die Kammern des Südens; $10$ der so
  427. groβe Dinge tut, daβ sie nicht zu erforschen, und Wundertaten,
  428. daβ sie nicht zu zählen sind.
  429.  
  430. $11$ Siehe, er geht an mir vorüber, und ich sehe ihn nicht;
  431. und er zieht vorbei, und ich bemerke ihn nicht. $12$ Siehe, er
  432. rafft dahin, und wer will ihm wehren? Wer kann zu ihm sagen: Was
  433. tust du? $13$ Gott wendet seinen Zorn nicht ab, unter ihn
  434. beugten sich die Helfer Rahabs. $14$ Wieviel weniger könnte
  435. ich ihm antworten, meine Worte ihm gegenüber wählen! $15$ Ihm
  436. könnte ich, [auch] wenn ich im Recht wäre, nicht antworten - zu
  437. meinem Richter würde ich um Gnade flehen. $16$ Wenn ich riefe
  438. und er mir antwortete, nicht würde ich glauben, daβ er auf meine
  439. Stimme hörte. $17$ Er, der nach mir greift im Unwetter und
  440. meine Wunden grundlos vermehrt, $18$ er erlaubt mir nicht,
  441. Atem zu holen, sondern sättigt mich mit Bitterkeiten. $19$
  442. Wenn es auf Kraft des Starken ankommt, [so sagt er]: Siehe hier!
  443. - und wenn auf Recht: Wer will mich vorladen? $20$ Wenn ich
  444. auch im Recht wäre, mein Mund würde mich verurteilen; wäre ich
  445. [auch] rechtschaffen, er würde mich schuldig sprechen.
  446.  
  447. $21$ Rechtschaffen bin ich! Ich kümmere mich nicht um meine
  448. Seele, ich verachte mein Leben, $22$ es ist eins! Darum sage
  449. ich: Den Rechtschaffenen wie den Gottlosen vernichtet er. $23$
  450. Wenn die Geiβel plötzlich tötet, so spottet er über die
  451. Verzweiflung Unschuldiger. $24$ Die Erde ist in die Hand des
  452. Gottlosen gegeben, das Angesicht ihrer Richter verhüllt er. Wenn
  453. er es nicht ist, wer sonst?
  454.  
  455. $25$ Und meine Tage sind schneller dahin geeilt als ein
  456. Läufer, sie sind entflohen, haben nichts Gutes gesehen. $26$
  457. Sie sind vorübergezogen wie Rohrschiffe, wie ein Adler, der auf
  458. Beute herabstöβt. $27$ Wenn ich denke: Ich will meinen Kummer
  459. vergessen, will ein anderes Gesicht machen und fröhlich blicken,
  460. $28$ so bangt mir vor allen meinen Schmerzen. Ich habe
  461. erkannt, daβ du mich nicht ungestraft läβt.
  462.  
  463. $29$ Ich muβ ja schuldig sein! Wozu soll ich mich denn für
  464. nichts abmühen? $30$ Wenn ich mich [auch] mit Schneewasser
  465. wüsche und meine Hände mit Lauge reinigte, $31$ dann würdest
  466. du mich in die Grube tauchen, daβ sich meine eigenen Kleider vor
  467. mir ekelten. $32$ Denn er ist nicht ein Mann wie ich, daβ ich
  468. ihm antworten, daβ wir zusammen vor Gericht gehen könnten.
  469. $33$ Es gibt zwischen uns keinen Schiedsmann, daβ er seine
  470. Hand auf uns beide legen könnte. $34$ Er nehme seine Rute von
  471. mir weg, und sein Schrecken ängstige mich nicht mehr, $35$ so
  472. will ich reden und ihn nicht fürchten, denn so [steht es jetzt]
  473. bei mir nicht.
  474.  
  475. \10\
  476. Klage über Gottes Verhalten in der schweren Heimsuchung.
  477.  
  478. $1$ Es ekelt mich vor meinem Leben. Ich will meinen Kummer
  479. von mir lassen, will reden in der Bitterkeit meiner Seele.
  480. $2$ Ich sage zu Gott: Verdamme mich nicht! Laβ mich wissen,
  481. warum du mich vor Gericht ziehst! $3$ Ist das gut für dich,
  482. daβ du Unterdrückung übst, daβ du die Arbeit deiner Hände
  483. verwirfst und [dein Licht] über dem Rat der Gottlosen leuchten
  484. läβt? $4$ Hast du Menschenaugen, oder siehst du, wie ein
  485. Mensch sieht? $5$ Sind deine Tage wie die Tage eines Menschen
  486. oder deine Jahre wie die Tage eines Mannes, $6$ daβ du nach
  487. meiner Schuld suchst und nach meiner Sünde forschst, $7$
  488. obwohl du weiβt, daβ ich nicht schuldig bin, und niemand da ist,
  489. der aus deiner Hand retten kann?
  490.  
  491. $8$ Deine Hände haben mich ganz gebildet und gestaltet um und
  492. um, und [nun] verschlingst du mich! $9$ Bedenke doch, daβ du
  493. mich wie Ton gestaltet hast! Und [jetzt] willst du mich zum
  494. Staub zurückkehren lassen! $10$ Hast du mich nicht
  495. hingegossen wie Milch und wie Käse mich gerinnen lassen? $11$
  496. Mit Haut und Fleisch hast du mich bekleidet und mit Knochen und
  497. Sehnen mich durchflochten. $12$ Leben und Gnade hast du mir
  498. gewährt, und deine Obhut bewahrte meinen Geist. $13$ Doch
  499. dies verbargst du in deinem Herzen, ich habe erkannt, daβ du
  500. dies im Sinn hattest: $14$ Wenn ich sündigte, so würdest du
  501. mich beobachten und mich nicht von meiner Schuld freisprechen.
  502. $15$ Wenn ich schuldig wäre - wehe mir! Und wäre ich im
  503. Recht, dürfte ich mein Haupt [doch] nicht erheben, gesättigt mit
  504. Schande und getränkt mit Elend. $16$ Und richtete es sich
  505. auf, wie ein Löwe würdest du mich jagen und dich wieder als
  506. wunderbar an mir erweisen. $17$ Du würdest neue Zeugen gegen
  507. mich aufstellen und deinen Zorn über mich vergröβern. Ein
  508. ständig sich ablösendes Heer [kämpft] gegen mich.
  509.  
  510. $18$ Warum hast du mich aus dem Mutterleib hervorgezogen?
  511. Wäre ich doch umgekommen, so hätte mich kein Auge gesehen!
  512. $19$ Als wenn ich nie gewesen, so wäre ich [dann]; vom
  513. Mutterschoβ wäre ich zu Grabe geleitet worden!
  514.  
  515. $20$ Sind meine Tage nicht [nur noch] wenige? Er lasse [doch]
  516. ab, wende sich von mir, daβ ich ein wenig fröhlich werde,
  517. $21$ ehe ich hingehe - und nicht wiederkomme - in das Land
  518. der Finsternis und des Todesschattens, $22$ in das Land,
  519. schwarz wie die Dunkelheit, [das Land] der Finsternis - [da ist]
  520. keine Ordnung -, und [selbst] das Hellwerden ist [dort] wie
  521. Dunkelheit!
  522.  
  523. \11\
  524. Erste Rede des Zofar: Widerspruch gegen Hiob - Mahnung zur
  525. rechten Schau und zur Demütigung vor dem allwissenden Gott.
  526.  
  527. $1$ Und Zofar von Naama antwortete und sagte:
  528.  
  529. $2$ Soll der Wortschwall nicht beantwortet werden, oder soll
  530. ein Schwätzer recht behalten? $3$ Soll dein Gerede Männer zum
  531. Schweigen bringen, daβ du spotten kannst und niemand [dich]
  532. beschämt? $4$ Und du sagtest: Meine Lehre ist lauter, und ich
  533. war rein in deinen Augen! $5$ Aber - möge Gott doch reden und
  534. seine Lippen gegen dich auftun $6$ und dir die Geheimnisse
  535. der Weisheit mitteilen, daβ sie wie Wunder sind für
  536. [menschliche] Klugheit! Und erkenne [doch], daβ Gott dir [viel]
  537. von deiner Schuld übersieht!
  538.  
  539. $7$ Kannst du die Tiefen Gottes erreichen oder die
  540. Vollkommenheit des Allmächtigen ergründen? $8$ Himmelhoch
  541. [sind sie] - was kannst du tun? - tiefer als der Scheol - was
  542. kannst du erkennen? $9$ Länger als die Erde ist ihr Maβ und
  543. breiter als das Meer. $10$ Wenn er vorüberzieht und festnimmt
  544. und [zum Gericht] versammelt, wer will ihm dann wehren? $11$
  545. Denn er erkennt die nichtswürdigen Männer und er sieht Böses,
  546. ohne daβ er [darauf] achten muβ. $12$ Kann ein Hohlkopf
  547. Verstand gewinnen und ein Eselhengst als Mensch geboren werden?
  548.  
  549. $13$ Wenn du dein Herz fest ausrichtest und deine Hände zu
  550. ihm ausbreitest - $14$ wenn Böses in deiner Hand ist, so
  551. entferne es und laβ in deinen Zelten kein Unrecht wohnen! -
  552. $15$ ja, dann wirst du dein Gesicht erheben ohne Makel und
  553. wirst unerschütterlich sein und dich nicht fürchten. $16$
  554. Denn du wirst die Mühsal vergessen, wirst [an sie] denken wie an
  555. vorbeigeflossenes Wasser, $17$ und heller als der Mittag wird
  556. [dein] Leben aufgehen; mag es finster sein - wie der Morgen wird
  557. es werden. $18$ Und du wirst Vertrauen fassen, weil es
  558. Hoffnung gibt; und du wirst Ausschau halten, in Sicherheit dich
  559. niederlegen. $19$ Und du liegst da, und niemand wird dich
  560. aufschrecken, und viele werden deine Gunst suchen. $20$ Aber
  561. die Augen der Gottlosen werden versagen. Und [jede] Zuflucht
  562. geht ihnen verloren, und ihre Hoffnung ist, die Seele
  563. auszuhauchen.
  564.  
  565. \12\
  566. Hiobs Antwort: Klage über seine Freunde - Schilderung der
  567. verkannten Macht und Weisheit Gottes.
  568.  
  569. $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
  570.  
  571. $2$ Wirklich, ihr seid [die rechten] Leute, und mit euch wird
  572. die Weisheit aussterben! $3$ Auch ich habe Verstand wie ihr,
  573. ich stehe nicht hinter euch zurück; und wer wüβte dies nicht?
  574. $4$ Zum Gespött für seine Gefährten wird der, der zu Gott
  575. rief - und der antwortete ihm - der Gerechte, Rechtschaffene
  576. [wird] zum Gespött! $5$ Dem Unglück gebührt Verachtung, meint
  577. der Sichere, ein Stoβ denen, deren Fuβ wankt! $6$ Die Zelte
  578. der Verwüster haben Ruhe, und Sicherheit gibt es für die, die
  579. Gott reizen, für den, der Gott in seiner Hand führt. $7$ Aber
  580. frage doch das Vieh, und es wird es dich lehren, oder die Vögel
  581. des Himmels, und sie werden es dir mitteilen, $8$ oder rede
  582. zu der Erde, und sie wird es dich lehren, und die Fische des
  583. Meeres werden es dir erzählen! $9$ Wer erkennt nicht an all
  584. diesem, daβ die Hand des HERRN dies gemacht hat? $10$ In
  585. seiner Hand ist die Seele alles Lebendigen und der Lebensatem
  586. alles menschlichen Fleisches. $11$ Soll das Ohr nicht die
  587. Worte prüfen, [wie] der Gaumen für sich die Speise kostet?
  588. $12$ Bei Greisen ist Weisheit, und Einsicht bei hohem Alter.
  589. $13$ Bei ihm ist Weisheit und Macht, sein ist Rat und
  590. Einsicht. $14$ Siehe, er reiβt nieder, und es wird nicht
  591. wieder gebaut; er schlieβt über jemandem zu, und es wird nicht
  592. wieder geöffnet. $15$ Siehe, er hemmt die Wasser, und sie
  593. trocknen aus; er läβt sie los, und sie kehren das Land um.
  594. $16$ Bei ihm ist Kraft und Erfolg; sein ist, wer irrt und wer
  595. irreführt. $17$ Er führt Ratgeber beraubt weg, und Richter
  596. macht er zu Narren. $18$ Fesseln von Königen löst er auf und
  597. schlingt einen Gurt um ihre Hüften. $19$ Er führt Priester
  598. beraubt weg, und alte Geschlechter bringt er zu Fall. $20$
  599. Bewährten [Sprechern] entzieht er die Sprache, und Alten nimmt
  600. er die Urteilskraft. $21$ Verachtung schüttet er auf Edle,
  601. und den Gürtel der Starken lockert er. $22$ Er enthüllt
  602. Geheimnisvolles aus dem Dunkel, und Finsternis zieht er ans
  603. Licht. $23$ Er macht Völker groβ und vernichtet sie; er
  604. breitet Völker aus, und er leitet sie. $24$ Den Häuptern des
  605. Volkes im Land nimmt er den Mut, und in wegloser Einöde läβt er
  606. sie umherirren. $25$ Sie tappen in der Finsternis, wo kein
  607. Licht ist, und er läβt sie umherirren wie einen Betrunkenen.
  608.  
  609. \13\
  610. Warnung der Freunde vor der Gerechtigkeit Gottes - Vorsichtige
  611. Aufforderung an Gott zum Rechtsstreit.
  612.  
  613. $1$ Siehe, das alles hat mein Auge gesehen, mein Ohr gehört
  614. und sich gemerkt. $2$ Soviel ihr erkannt habt, habe ich auch
  615. erkannt, ich stehe nicht hinter euch zurück.
  616.  
  617. $3$ Doch ich will zum Allmächtigen reden, und vor Gott will
  618. ich mich verteidigen. $4$ Ihr dagegen seid Lügendichter,
  619. Kurpfuscher, ihr alle! $5$ Hieltet ihr euch doch still! Das
  620. würde euch zur Weisheit gereichen. $6$ Hört doch meine
  621. Entgegnung und achtet auf die Streitreden meiner Lippen! $7$
  622. Wollt ihr für Gott Verkehrtes vorbringen und für ihn Falsches
  623. vortragen? $8$ Wollt ihr seine Partei ergreifen, oder wollt
  624. ihr für Gott den Rechtsstreit führen? $9$ Wird es gut für
  625. euch sein, wenn er euch erforscht? Oder wollt ihr ihn täuschen,
  626. wie man einen Menschen täuscht? $10$ Hart zurechtweisen wird
  627. er euch, wenn ihr insgeheim die Person anseht. $11$ Wird
  628. seine Hoheit euch nicht aufschrecken und sein Schrecken nicht
  629. auf euch fallen? $12$ Was ihr vorbringt, sind Sprüche von
  630. Asche, eure Bollwerke erweisen sich als Bollwerke aus Lehm.
  631.  
  632. $13$ Schweigt still vor mir, und ich will reden, was auch
  633. über mich ergehen möge! $14$ Warum sollte ich mein Fleisch
  634. zwischen meine Zähne nehmen und mein Leben in meine Hand legen?
  635. $15$ Siehe, er wird mich töten, ich will auf ihn warten, nur
  636. will ich meine Wege ihm ins Angesicht rechtfertigen. $16$
  637. Schon das wird mir zur Rettung sein, denn kein Ruchloser darf
  638. vor sein Angesicht kommen. $17$ Hört, hört meine Rede, und
  639. meine Darlegung dringe in eure Ohren! $18$ Siehe doch, ich
  640. habe den Rechtsfall vorgebracht, ich habe erkannt, daβ ich recht
  641. behalten werde. $19$ Wer ist der, der mit mir den
  642. Rechtsstreit führen könnte? Denn dann wollte ich schweigen und
  643. verscheiden.
  644.  
  645. $20$ Nur zweierlei tue nicht mit mir, dann werde ich mich
  646. nicht vor deinem Angesicht verbergen! $21$ Entferne deine
  647. Hand von mir, und dein Schrecken soll mich nicht ängstigen!
  648. $22$ Dann rufe, und ich will antworten, oder ich will reden,
  649. und du erwidere mir! $23$ Wie viele Sünden und Vergehen habe
  650. ich? Laβ mich mein Verbrechen und mein Vergehen wissen! $24$
  651. Warum verbirgst du dein Angesicht und hältst mich für deinen
  652. Feind? $25$ Willst du ein verwehtes Blatt erschrecken und
  653. einem dürren Halm nachjagen? $26$ Denn Bitteres verhängst du
  654. über mich, und die Sünden meiner Jugend läβt du mich entgelten.
  655. $27$ Und meine Füβe legst du in den Block und beobachtest all
  656. meine Pfade, zeichnest dir die Sohlen meiner Füβe auf, $28$
  657. da ich doch wie Moder zerfalle, wie ein Kleid, das die Motte
  658. zerfressen hat.
  659.  
  660. \14\
  661. Klage über die Nichtigkeit des Menschenlebens - Vergebliches
  662. Hoffen auf Trost nach dem Tod.
  663.  
  664. $1$ Der Mensch, von der Frau geboren, lebt kurze Zeit und ist
  665. mit Unruhe gesättigt. $2$ Wie eine Blume kommt er hervor und
  666. verwelkt; und wie der Schatten flieht er und kann nicht
  667. bestehen. $3$ Doch über einen solchen hast du deine Augen
  668. geöffnet, und mich führst du ins Gericht mit dir! $4$ Wie
  669. könnte ein Reiner vom Unreinen [kommen]? Nicht ein einziger!
  670. $5$ Wenn seine [Lebens]tage festgesetzt sind, die Zahl seiner
  671. Monate bei dir [feststeht], wenn du [ihm] sein Ziel gesetzt
  672. hast, daβ er es nicht überschreiten kann, $6$ so blicke weg
  673. von ihm, so daβ er Ruhe hat, damit er wie ein Tagelöhner seinen
  674. Tag genieβen kann!
  675.  
  676. $7$ Denn für den Baum gibt es Hoffnung. Wird er abgehauen, so
  677. schlägt er wieder aus, und seine Triebe bleiben nicht aus.
  678. $8$ Wenn seine Wurzel [auch] in der Erde altert und sein
  679. Stumpf im Staub abstirbt - $9$ vom Duft des Wassers sproβt er
  680. wieder und treibt Zweige wie ein Pflänzling. $10$ Ein Mann
  681. aber stirbt und liegt da; und ein Mensch verscheidet, und wo ist
  682. er [dann]? $11$ Die Wasser verrinnen aus dem Meer, und der
  683. Fluβ trocknet aus und versiegt; $12$ so legt der Mensch sich
  684. hin und steht nicht wieder auf. Bis der Himmel nicht mehr ist,
  685. erwacht er nicht und wird nicht aufgeweckt aus seinem Schlaf.
  686.  
  687. $13$ Daβ du mich doch im Scheol verstecktest, mich
  688. verbärgest, bis dein Zorn sich abwendete, mir ein Ziel setztest
  689. und dann meiner gedächtest! $14$ - Wenn ein Mann stirbt, wird
  690. er etwa wieder leben? - Alle Tage meines Dienstes wollte ich
  691. harren, bis meine Ablösung käme! $15$ Du würdest rufen, und
  692. ich würde dir antworten, nach dem Werk deiner Hände würdest du
  693. dich sehnen. $16$ Denn dann würdest du [zwar] meine Schritte
  694. zählen, aber gäbest nicht acht auf meine Sünde! $17$ Mein
  695. Verbrechen wäre versiegelt in einem Bündel, und du würdest meine
  696. Schuld zudecken.
  697.  
  698. $18$ Und doch, ein Berg stürzt ein, zerfällt, und ein Fels
  699. rückt fort von seiner Stelle. $19$ Wasser zerreibt Steine,
  700. seine Fluten schwemmen den Staub der Erde hinweg. So machst du
  701. die Hoffnung des Menschen zunichte. $20$ Du überwältigst ihn
  702. für immer, und er geht dahin; sein Gesicht entstellst du und
  703. schickst ihn fort. $21$ Kommen seine Kinder zu Ehren, er weiβ
  704. es nicht, und werden sie gering, er achtet nicht auf sie.
  705. $22$ Sein Fleisch fühlt nur noch für sich selber Schmerz, und
  706. seine Seele trauert nur um sich.
  707.  
  708. \15\
  709. Zweite Rede des Elifas: Er rügt Hiob wegen des ungeziemenden
  710. Redens gegen Gott - Unheil für den Gottlosen.
  711.  
  712. $1$ Und Elifas von Teman antwortete und sagte:
  713.  
  714. $2$ Wird [etwa] ein Weiser windige Erkenntnis zur Antwort
  715. geben, oder wird er sein Inneres mit Ostwind füllen? $3$ Wird
  716. er mit nutzlosen Worten streiten oder mit Reden, mit denen er
  717. nicht hilft? $4$ Ja, du zerstörst die Gottesfurcht und
  718. beschneidest die Andacht vor Gott. $5$ Denn deine Schuld
  719. belehrt deinen Mund, und du wählst die Sprache der Listigen.
  720. $6$ Dein Mund verdammt dich und nicht ich; und deine Lippen
  721. sagen gegen dich aus.
  722.  
  723. $7$ Bist du als Erster der Menschen geboren, oder bist du vor
  724. den Hügeln hervorgebracht worden? $8$ Hörst du im Rat Gottes
  725. zu, und reiβt du die Weisheit an dich? $9$ Was hast du
  726. erkannt, das wir nicht erkannt hätten? Was verstehst du, das uns
  727. nicht bekannt wäre? $10$ Unter uns sind auch Alte, auch
  728. Greise, reicher an Tagen als dein Vater.
  729.  
  730. $11$ Sind dir die Tröstungen Gottes zu wenig oder ein Wort,
  731. das sanft mit dir [verfuhr]? $12$ Was reiβt dein Herz dich
  732. hin, und was rollen deine Augen, $13$ daβ du dein Schnauben
  733. gegen Gott kehrst und [solche] Reden aus deinem Mund hast
  734. hervorgehen lassen? $14$ Was ist der Mensch, daβ er rein
  735. dastehen könnte, und der von einer Frau Geborene, daβ er gerecht
  736. wäre? $15$ Siehe, [selbst] auf seine Heiligen vertraut er
  737. nicht, und die Himmel sind nicht rein in seinen Augen, $16$
  738. wieviel weniger der Abscheuliche und Verdorbene, der Mann, der
  739. Unrecht trinkt wie Wasser!
  740.  
  741. $17$ Ich will dir verkünden, höre mir zu! Und was ich
  742. geschaut habe, will ich erzählen, $18$ was die Weisen
  743. mitgeteilt und nicht verhehlt haben von ihren Vätern her -
  744. $19$ ihnen allein war das Land gegeben, und kein Fremder zog
  745. in ihrer Mitte umher -:
  746.  
  747. $20$ All seine Tage quält sich der Gottlose in Angst, und
  748. eine [kleine] Zahl von Jahren ist dem Gewalttätigen aufbewahrt.
  749. $21$ Der Ton des Schreckens [gellt] in seinen Ohren, im
  750. Frieden kommt der Verwüster über ihn. $22$ Er glaubt nicht
  751. daran, aus der Finsternis zurückkehren zu können, und er ist
  752. ausersehen für das Schwert. $23$ Er irrt umher nach Brot - wo
  753. [ist es]? Er hat erkannt, daβ sich neben ihm [schon] ein
  754. finsterer Tag bereit hält. $24$ Not und Bedrängnis schrecken
  755. ihn, sie überwältigen ihn wie ein König, der zum Sturm bereit
  756. ist. $25$ Denn er hat seine Hand gegen Gott ausgestreckt, und
  757. dem Allmächtigen gegenüber hat er sich überheblich gebärdet.
  758. $26$ Mit [hartem] Nacken rannte er gegen ihn an, mit der
  759. Dicke seiner Schildbuckel. $27$ Denn er hat sein Gesicht
  760. bedeckt mit seinem Fett und Speck an der Lende angesetzt,
  761. $28$ und er bewohnte zerstörte Städte, Häuser, in denen man
  762. nicht wohnen soll, die zu Steinhaufen bestimmt waren. $29$ Er
  763. wird nicht reich, und sein Vermögen hat keinen Bestand; und
  764. nicht neigt sich zur Erde seine Ähre. $30$ Er entweicht der
  765. Finsternis nicht; seine Triebe dörrt die Flamme aus, und er muβ
  766. weichen beim Hauch seines Mundes. $31$ Er verlasse sich nicht
  767. auf Nichtiges, er wird irregeführt; denn Nichtiges wird sein
  768. Eintausch dafür sein. $32$ Wenn sein Tag noch nicht da ist,
  769. so erfüllt es sich [schon]; und sein Sproβ wird nicht grün.
  770. $33$ Wie der Weinstock stöβt er seine unreifen Trauben ab,
  771. und wie der Olivenbaum wirft er seine Blüte ab. $34$ Denn die
  772. Schar des Ruchlosen ist unfruchtbar, und Feuer friβt die Zelte
  773. der Bestechung. $35$ Sie sind schwanger mit Mühsal und
  774. gebären Unrecht, und ihr Inneres bereitet Verrat.
  775.  
  776. \16\
  777. Hiobs Antwort: Leidiger Trost der Freunde - Trotz
  778. Schuldlosigkeit Behandlung als Sünder durch Gott und Menschen -
  779. Warten auf Gottes Wirken nach dem Tod.
  780.  
  781. $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
  782.  
  783. $2$ Ich habe so etwas [nun] viel gehört. Mühsame Tröster seid
  784. ihr alle! $3$ Haben die windigen Worte [nun] ein Ende? Oder
  785. was reizt dich, daβ du antwortest? $4$ Auch ich könnte reden
  786. wie ihr. Wäret ihr doch an meiner Stelle! Dann könnte ich mit
  787. Worten gegen euch glänzen und meinen Kopf über euch schütteln.
  788. $5$ Ich wollte euch stärken mit meinem Mund, und das Beileid
  789. meiner Lippen würde ich nicht zurückhalten.
  790.  
  791. $6$ Wenn ich rede, so wird mein Schmerz nicht gehemmt; und
  792. unterlasse ich es - was weicht [dann] von mir? $7$ Ja, jetzt
  793. hat er mich müde gemacht. Du hast meine ganze Umgebung
  794. menschenleer gemacht. $8$ Und du hast mich gepackt, das zeugt
  795. gegen mich. Und meine Abmagerung tritt als Zeuge gegen mich auf,
  796. mir ins Angesicht sagt sie aus. $9$ Sein Zorn zerfleischte
  797. [mich] und feindete mich an, er knirschte mit seinen Zähnen
  798. gegen mich, als mein Feind schärft er seine Augen gegen mich.
  799. $10$ Ihren Mund haben sie gegen mich aufgesperrt, mit
  800. Schmähung meine Backen geschlagen; gemeinsam rotten sie sich
  801. gegen mich zusammen. $11$ Gott gibt mich dem Ungerechten
  802. preis, und in die Hände der Gottlosen stürzt er mich. $12$
  803. Ich war sorglos, da hat er mich aufgerüttelt, und er packte mich
  804. beim Nacken und zerschmetterte mich, und er stellte mich für
  805. sich als Zielscheibe auf. $13$ Seine Geschosse umfliegen
  806. mich. Er spaltet meine Nieren und empfindet kein Mitleid, er
  807. schüttet meine Galle auf die Erde. $14$ Bresche auf Bresche
  808. reiβt er in mich. Er rennt gegen mich an wie ein Krieger.
  809. $15$ Ich habe Sacktuch über meine Haut genäht und mein Horn
  810. in den Staub gesenkt. $16$ Mein Gesicht glüht vom Weinen, und
  811. auf meinen Wimpern liegt Finsternis, $17$ obwohl keine
  812. Gewalttat an meinen Händen [klebt] und mein Gebet lauter ist.
  813.  
  814. $18$ Erde, decke mein Blut nicht zu, und für meinen
  815. Klageschrei sei kein Ruheplatz da! $19$ Auch jetzt [noch] -
  816. siehe, im Himmel ist mein Zeuge und mein Fürsprecher in der
  817. Höhe. $20$ Meine Gefährten verspotten mich. Zu Gott blickt
  818. mein Auge mit Tränen auf, $21$ daβ er Recht schaffe für einen
  819. Mann gegen Gott und für einen Menschensohn gegen seine
  820. Gefährten. $22$ Denn es kommen nur noch wenige Jahre, und ich
  821. werde einen Weg gehen, von dem ich nicht zurückkomme.
  822.  
  823. \17\
  824. Gründe für Gottes Eintreten - Abweisen der Reden der Freunde als
  825. töricht in Erwartung des Grabes.
  826.  
  827. $1$ Mein Geist ist verstört, meine Tage sind ausgelöscht,
  828. Gräber sind für mich da. $2$ Ist nicht um mich herum Gespött,
  829. und muβ nicht mein Auge auf ihrer Widerspenstigkeit haften?
  830. $3$ Setze doch [ein Pfand] ein, leiste bei dir selbst
  831. Bürgschaft für mich! Wer sonst wird in meine Hand einschlagen?
  832. $4$ Denn ihr Herz hast du der Einsicht verschlossen; darum
  833. wirst du sie nicht erhöhen. $5$ Den Gefährten erzählt man vom
  834. Beuteteilen, aber die Augen der eigenen Kinder verschmachten.
  835.  
  836. $6$ Und er hat mich hingestellt zum Spott der Leute, und zum
  837. Anspeien ins Gesicht bin ich [gut]. $7$ Und mein Auge ist
  838. trübe geworden vor Gram, und all meine Glieder sind wie ein
  839. Schatten. $8$ Die Aufrichtigen werden sich darüber entsetzen,
  840. und der Schuldlose wird sich über den Ruchlosen aufregen. $9$
  841. Doch der Gerechte wird an seinem Weg festhalten, und der, dessen
  842. Hände rein sind, wird an Stärke zunehmen. $10$ Aber ihr alle,
  843. kommt nur wieder her! Einen Weisen finde ich doch nicht unter
  844. euch. $11$ Meine Tage sind vorüber, zerrissen sind meine
  845. Pläne, die Wünsche meines Herzens. $12$ Die Nacht machen sie
  846. zum Tage, das Licht [soll mir] näher [sein] als die Finsternis.
  847. $13$ Nichts hoffe ich mehr! Der Scheol ist mein Haus, in der
  848. Finsternis habe ich mein Lager ausgebreitet. $14$ Zum Grab
  849. sage ich: Du bist mein Vater! Zur Made: Meine Mutter und meine
  850. Schwester! $15$ Wo ist denn nun meine Hoffnung? Ja, meine
  851. Hoffnung, wer wird sie schauen? $16$ Sie fährt mit mir hinab
  852. zum Scheol, wenn wir miteinander in den Staub sinken.
  853.  
  854. \18\
  855. Zweite Rede des Bildad: Unwillen über Hiobs anmaβendes Reden -
  856. Unvermeidlicher Untergang der Gottlosen.
  857.  
  858. $1$ Und Bildad von Schuach antwortete und sagte:
  859.  
  860. $2$ Wie lange wollt ihr den Worten Grenzen setzen? Nehmt
  861. Einsicht an, und danach wollen wir reden! $3$ Warum werden
  862. wir denn für Vieh gehalten, sind dumm in deinen Augen? $4$
  863. Du, der sich selbst zerfleischt in seinem Zorn, soll um
  864. deinetwillen die Erde verlassen werden, ein Fels von seiner
  865. Stelle wegrücken?
  866.  
  867. $5$ Doch das Licht des Gottlosen wird erlöschen, und die
  868. Flamme seines Feuers wird nicht leuchten. $6$ Das Licht in
  869. seinem Zelt wird finster, und seine Leuchte erlischt über ihm.
  870. $7$ Gehemmt werden seine kräftigen Schritte, und sein eigener
  871. Ratschlag wird ihn stürzen. $8$ Denn durch seine eigenen Füβe
  872. wird er ins Netz getrieben, und auf Fallgittern geht er einher.
  873. $9$ Das Klappnetz wird seine Ferse festhalten, die Schlinge
  874. ihn packen. $10$ Sein Strick ist verborgen in der Erde und
  875. die Falle für ihn auf dem Pfad. $11$ Ringsum jagen ihn
  876. plötzliche Schrecken auf, sie hetzen ihn auf Schritt und Tritt.
  877. $12$ Sein Reichtum wird zum Hunger, und das Verderben steht
  878. an seiner Seite bereit. $13$ Stücke von seiner Haut wird er
  879. fressen, seine Glieder wird er fressen, der Erstgeborene des
  880. Todes. $14$ Von seinem Zelt, wo er sich sicher fühlte, wird
  881. er fortgerissen, und es treibt ihn zum König der Schrecken.
  882. $15$ Was nicht sein ist, wird in seinem Zelt wohnen, auf
  883. seine Wohnstätte wird Schwefel gestreut werden. $16$ Von
  884. unten werden seine Wurzeln verdorren, und von oben wird sein
  885. Gezweig abwelken. $17$ Sein Andenken verschwindet von der
  886. Erde, und weit und breit hat er keinen Namen. $18$ Man stöβt
  887. ihn aus dem Licht in die Finsternis und verjagt ihn aus der
  888. Welt. $19$ Er wird keinen Sproβ und keinen Nachkommen haben
  889. in seinem Volk, noch wird ein Entkommener in seinen Schutzorten
  890. sein. $20$ Über seinen [Gerichts]tag entsetzen sich die Leute
  891. im Westen, und die im Osten packt Schauder. $21$ Ja, dies
  892. sind sie Wohnungen des Übeltäters, und dies ist die Stätte
  893. dessen, der Gott nicht erkennt.
  894.  
  895. \19\
  896. Hiobs Antwort: Klage über die Härte der Freunde, über das zu
  897. Unrecht zugefügte Leid - Gewiβheit über den Erlöser.
  898.  
  899. $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
  900.  
  901. $2$ Wie lange wollt ihr meine Seele plagen und mich mit
  902. Worten zerschlagen? $3$ Schon zehnmal habt ihr mich
  903. beschimpft. Ihr schämt euch nicht, ihr setzt mir hart zu. $4$
  904. Und habe ich auch wirklich geirrt, so bleibt [doch] mein Irrtum
  905. bei mir. $5$ Wenn ihr wirklich gegen mich groβtun und mir
  906. meine Schande vorhalten wollt, $6$ so erkennt denn, daβ Gott
  907. mich irregeführt und sein Fangseil um mich gezogen hat.
  908.  
  909. $7$ Siehe, ich schreie: Unrecht! - und werde nicht erhört.
  910. Ich rufe um Hilfe, und da ist kein Recht. $8$ Er hat meinen
  911. Weg verschüttet, und ich kann nicht hinüber; und auf meine Pfade
  912. legt er Finsternis. $9$ Meine Ehre hat er mir ausgezogen und
  913. weggenommen die Krone meines Hauptes. $10$ Er hat mich
  914. abgebrochen ringsum, so daβ ich vergehe, und hat meine Hoffnung
  915. ausgerissen wie einen Baum. $11$ Und seinen Zorn lieβ er
  916. gegen mich entbrennen und achtete mich seinen Feinden gleich.
  917. $12$ Vereint kamen seine Scharen und bahnten ihren Weg gegen
  918. mich und lagerten sich rings um mein Zelt. $13$ Meine Brüder
  919. hat er von mir entfernt, und meine Bekannten sind mir ganz
  920. entfremdet. $14$ Meine Verwandten bleiben aus, und meine
  921. Vertrauten haben mich vergessen. $15$ Die Schutzbefohlenen
  922. meines Hauses und meine Mägde halten mich für einen Fremden; ein
  923. Ausländer bin ich in ihren Augen geworden. $16$ Meinen Knecht
  924. rufe ich, und er antwortet nicht; mit meinem Mund muβ ich ihn
  925. anflehen. $17$ Mein Atem ist meiner Frau widerlich, und
  926. stinkend bin ich den Kindern meiner Mutter. $18$ Selbst Buben
  927. verachten mich. Will ich aufstehen, so wenden sie sich von mir
  928. ab. $19$ Alle meine Vertrauten verabscheuen mich, und die,
  929. die ich liebte, haben sich gegen mich gewendet. $20$ Mein
  930. Gebein klebt an meiner Haut und an meinem Fleisch, und an der
  931. Haut meiner Zähne bin ich kahl geworden.
  932.  
  933. $21$ Erbarmt euch über mich, erbarmt euch über mich, ihr
  934. meine Freunde! Denn die Hand Gottes hat mich getroffen. $22$
  935. Warum jagt ihr mir nach wie Gott und könnt von meinem Fleisch
  936. nicht satt werden? $23$ O daβ doch meine Worte aufgeschrieben
  937. würden! Daβ sie in ein Buch [kämen] und aufgezeichnet würden,
  938. $24$ mit eisernem Griffel und Blei in den Felsen gehauen
  939. würden auf ewig!
  940.  
  941. $25$ Doch ich weiβ: Mein Erlöser lebt; und als der letzte
  942. wird er über dem Staub stehen. $26$ Und nachdem man meine
  943. Haut so zerschunden hat, werde ich doch aus meinem Fleisch Gott
  944. schauen. $27$ Ja, ich werde ihn für mich sehen, und meine
  945. Augen werden [ihn] sehen, aber nicht als Fremden. Meine Nieren
  946. verschmachten in meinem Innern. $28$ Wenn ihr sagt: Wie
  947. wollen wir ihm nachjagen! - und daβ die Wurzel der Sache in mir
  948. zu finden sei, $29$ so fürchtet euch selbst vor dem Schwert!
  949. Denn das Schwert ist der Grimm, [der über] die Sünden [kommt],
  950. damit ihr erkennt: Es gibt einen Richter.
  951.  
  952. \20\
  953. Zweite Rede des Zofar: Kurze Freude der Gottlosen vor ihrem
  954. Untergang.
  955.  
  956. $1$ Und Zofar von Naama antwortete und sagte:
  957.  
  958. $2$ Darum geben meine beunruhigenden Gedanken mir Antwort,
  959. und deswegen bin ich innerlich erregt: $3$ Eine Mahnung, mir
  960. zur Schande, höre ich, aber der Geist aus meiner Einsicht
  961. antwortet mir.
  962.  
  963. $4$ Hast du nicht von jeher das erkannt, seitdem [Gott]
  964. Menschen auf die Erde gesetzt hat, $5$ daβ der Jubel der
  965. Gottlosen von kurzer Dauer und die Freude des Ruchlosen für
  966. einen Augenblick war? $6$ Stiege auch seine Hoheit bis zum
  967. Himmel hinauf, und rührte sein Haupt an die Wolken, $7$
  968. gleich seinem Kot vergeht er auf ewig. Die ihn gesehen haben,
  969. sagen: Wo ist er? $8$ Wie ein Traum verfliegt er, und man
  970. findet ihn nicht, und er wird weggescheucht wie ein
  971. Nachtgesicht. $9$ Das Auge hat ihn erblickt, doch nun nicht
  972. mehr, und seine Stätte gewahrt ihn nicht mehr. $10$ Seine
  973. Söhne müssen die Geringen gütig stimmen und seine Hände sein
  974. Vermögen zurückgeben. $11$ Waren seine Glieder [auch] voll
  975. seiner Jugendkraft, so liegt sie [nun] mit ihm im Staub.
  976.  
  977. $12$ Wenn das Böse auch in seinem Mund süβ schmeckte, er es
  978. verbarg unter seiner Zunge, $13$ es aufsparte und nicht
  979. fahren lieβ und es zurückhielt unter seinem Gaumen, $14$ so
  980. hat sich seine Speise [doch] in seinen Eingeweiden verwandelt.
  981. Viperngalle ist in seinem Innern. $15$ Reichtum hat er
  982. verschlungen, doch erbricht er ihn [wieder]: aus seinem Bauch
  983. treibt Gott ihn heraus. $16$ Viperngift sog er ein; die Zunge
  984. der Giftschlange bringt ihn um. $17$ Nicht sehen darf er die
  985. Bäche, die flutenden Ströme von Honig und Milch. $18$ Den
  986. Ertrag gibt er zurück und darf ihn nicht verschlingen. An dem
  987. Reichtum, den er erwarb, darf er sich nicht freuen. $19$ Denn
  988. die Geringen hat er miβhandelt, verlassen. Häuser hat er an sich
  989. gerissen und wird sie nicht ausbauen. $20$ Denn er kannte
  990. keine Ruhe in seinem Innern; mit seinem Kostbarsten wird er
  991. nicht entrinnen. $21$ Vor seiner Freβgier gab es kein
  992. Entrinnen; darum wird sein Wohlstand keinen Bestand haben.
  993. $22$ In der Fülle seines Überflusses wird er in Bedrängnis
  994. geraten; die Hand jedes Notleidenden wird über ihn kommen.
  995. $23$ Es wird geschehen: Um seinen Bauch zu füllen, wird Gott
  996. die Glut seines Zorns gegen ihn senden und [sie] auf ihn regnen
  997. lassen, auf seinen Körper. $24$ Flieht er vor eisernen
  998. Waffen, durchbohrt ihn der Bogen aus Bronze. $25$ Er zückt
  999. [den Pfeil], da tritt er [schon] aus dem Rücken hervor und das
  1000. blitzende Eisen aus seiner Galle! Er geht dahin, Schrecken über
  1001. ihm! $26$ Alle Finsternis ist aufgespart für seine
  1002. aufgesparten [Schätze]. Ein Feuer, das nicht angefacht ist, wird
  1003. ihn fressen. Übel wird es dem ergehen, der in seinem Zelt
  1004. übriggeblieben ist. $27$ Der Himmel wird seine Schuld
  1005. enthüllen, und die Erde wird sich gegen ihn erheben. $28$ Der
  1006. Ertrag seines Hauses muβ fortgehen, wird zerrinnen am Tag seines
  1007. Zorns. $29$ Das ist das Teil des gottlosen Menschen von Gott
  1008. und das ihm von Gott zugesprochene Erbe.
  1009.  
  1010. \21\
  1011. Hiobs Antwort: Wohlergehen der Gottlosen - Gottes Willkür im
  1012. Austeilen von Glück und Unglück - Kein Gericht über die
  1013. Gottlosen.
  1014.  
  1015. $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
  1016.  
  1017. $2$ Höret, hört meine Rede! Das wäre [wahrer] Trost von euch!
  1018. $3$ Ertragt mich, dann will ich reden, und nachdem ich
  1019. geredet habe, magst du spotten. $4$ [Trage] ich mein Anliegen
  1020. etwa einem Menschen vor? Oder warum sollte ich nicht ungeduldig
  1021. sein? $5$ Wendet euch zu mir und schaudert und legt die Hand
  1022. auf den Mund!
  1023.  
  1024. $6$ Ja, wenn ich daran denke, so bin ich bestürzt, und
  1025. Erbeben packt mein Fleisch. $7$ Warum leben die Gottlosen,
  1026. werden alt, nehmen gar noch zu an Macht? $8$ Ihre Nachkommen
  1027. stehen fest vor ihnen so gut wie sie, und ihre Spröβlinge sind
  1028. vor ihren Augen. $9$ Ihre Häuser haben Frieden ohne Furcht,
  1029. und Gottes Rute ist nicht über ihnen. $10$ Sein Stier
  1030. bespringt und verfehlt nicht, seine Kuh kalbt ohne Fehlgeburt.
  1031. $11$ Ihre Buben schicken sie aus wie eine Schafherde, und
  1032. ihre Kinder hüpfen umher. $12$ Sie erheben [ihre Stimme] bei
  1033. Tamburin und Zither und sind fröhlich beim Klang der Flöte.
  1034. $13$ Im Glück genieβen sie ihre Tage, und in Ruhe sinken sie
  1035. in den Scheol hinab. $14$ Und doch sagen sie zu Gott: Weiche
  1036. von uns! Und an der Erkenntnis deiner Wege haben wir kein
  1037. Gefallen. $15$ Was ist der Allmächtige, daβ wir ihm dienen
  1038. sollten, und was hilft es uns, daβ wir [mit Bitten] in ihn
  1039. dringen? $16$ Siehe, steht nicht ihr Glück in ihrer Hand? Der
  1040. Rat der Gottlosen sei fern von mir!
  1041.  
  1042. $17$ Wie oft erlischt [denn] die Leuchte der Gottlosen und
  1043. kommt über sie ihr Verderben, [wie oft] teilt er Vernichtung zu
  1044. in seinem Zorn? $18$ [Wie oft denn] werden sie wie Stroh vor
  1045. dem Wind und wie Spreu, die der Sturmwind entführt? $19$
  1046. Bewahrt Gott sein Unheil auf für seine Kinder? Er vergelte ihm
  1047. selbst, daβ er es fühle! $20$ Seine [eigenen] Augen sollen
  1048. seinen Verfall sehen, und vom Zorn des Allmächtigen trinke er!
  1049. $21$ Denn was liegt ihm an seinem Haus nach ihm, wenn die
  1050. Zahl seiner Monate zu Ende ist?
  1051.  
  1052. $22$ Kann man Gott Erkenntnis lehren, ihn, der [selbst] die
  1053. Erhabenen richtet? $23$ Dieser stirbt in seiner Vollkraft,
  1054. ganz ungestört und ruhig. $24$ Seine Schenkel sind voll Fett,
  1055. und das Mark seiner Gebeine ist [wohl]getränkt. $25$ Und
  1056. jener stirbt mit bitterer Seele und hat nichts vom Glück
  1057. genossen. $26$ Zusammen liegen sie im Staub, und Gewürm deckt
  1058. sie zu.
  1059.  
  1060. $27$ Siehe, ich erkenne eure Gedanken, und die Anschläge, die
  1061. ihr gegen mich ersinnt. $28$ Denn ihr sagt: Wo ist das Haus
  1062. des Edlen und wo das Zelt, die Wohnung der Gottlosen? $29$
  1063. Habt ihr die nicht befragt, die des Weges vorüberziehen? Und
  1064. habt ihr ihre Zeichen nicht genau betrachtet: $30$ daβ der
  1065. Böse am Tag des Verderbens verschont wird, daβ sie am Tag des
  1066. Grimms [in Sicherheit] geleitet werden? $31$ Wer wird ihm ins
  1067. Gesicht seinen Weg vorhalten? Und hat er gehandelt, wer wird ihm
  1068. vergelten? $32$ Er aber, er wird zu den Gräbern geleitet, und
  1069. auf dem Grabhügel hält man Wache. $33$ Süβ sind ihm die
  1070. Schollen des Tales. Und alle Welt zieht hinter ihm her, auch vor
  1071. ihm ohne Zahl. $34$ Wie tröstet ihr mich nun mit Dunst? Und
  1072. von euren Einwänden bleibt [nur] Trug übrig.
  1073.  
  1074. \22\
  1075. Dritte Rede des Elifas: Hiobs selbstverschuldetes Elend - Aufruf
  1076. zur Buβe.
  1077.  
  1078. $1$ Und Elifas, der Temaniter, antwortete und sagte:
  1079.  
  1080. $2$ Kann denn ein Mann Gott Nutzen bringen? Vielmehr sich
  1081. selbst bringt der Einsichtige Nutzen. $3$ Ist es dem
  1082. Allmächtigen von Wert, wenn du gerecht bist, oder ist es ihm ein
  1083. Gewinn, wenn du deine Wege vollkommen machst? $4$ Für deine
  1084. [Gottes]furcht sollte er dich strafen, mit dir vor Gericht
  1085. gehen? $5$ Ist nicht deine Bosheit vielfältig und ohne Ende
  1086. deine Schuld? $6$ Denn du pflegtest deinen Bruder ohne Grund
  1087. zu pfänden, und die Kleider zogest du den Nackten aus. $7$
  1088. Nicht [einmal] Wasser gabst du dem Durstigen zu trinken, und dem
  1089. Hungrigen verweigertest du Brot. $8$ Und dem Mann der Faust
  1090. gehört das Land, und der Angesehene darf darin wohnen. $9$
  1091. Die Witwen hast du mit leeren Händen weggeschickt, und die Arme
  1092. der Waisen sind zerschlagen. $10$ Darum sind rings um dich
  1093. her Fallen, und in Bestürzung versetzt dich plötzlicher
  1094. Schrecken $11$ oder Finsternis, [in der] du nichts sehen
  1095. kannst, und Wasserflut, die dich bedeckt.
  1096.  
  1097. $12$ Ist Gott nicht so hoch wie die Himmel? Schau an die
  1098. höchsten Sterne, wie hoch sie sind! $13$ Und du sagst: Was
  1099. weiβ denn Gott? Kann er durch das Wolkendunkel hindurch richten?
  1100. $14$ Die Wolken sind ihm ein Versteck, daβ er nichts sieht,
  1101. und am Kreis des Himmels wandelt er. - $15$ Willst du dem
  1102. Pfad der Vorzeit folgen, den die Frevler betraten, $16$ die
  1103. gepackt wurden vor der Zeit - ein Strom hat ihr Fundament
  1104. weggerissen -, $17$ die zu Gott sagten: Weiche von uns! -
  1105. und: Was kann der Allmächtige uns schon tun? $18$ Und er
  1106. hatte ihre Häuser [doch] mit Gutem erfüllt! - Aber von mir
  1107. bleibe fern der Rat der Gottlosen! - $19$ Die Gerechten sehen
  1108. es und freuen sich, und der Schuldlose verspottet sie: $20$
  1109. Fürwahr, unsere Gegner sind vernichtet, und ihren Rest hat das
  1110. Feuer gefressen!
  1111.  
  1112. $21$ Söhne dich doch aus mit ihm und halte Frieden! Dadurch
  1113. kommt zu dir [dann] wieder Gutes. $22$ Nimm aus seinem Mund
  1114. doch Weisung an und lege seine Worte dir ins Herz! $23$ Wenn
  1115. du umkehrst zum Allmächtigen, wirst du wieder aufgebaut, hältst
  1116. du Unrecht fern von deinem Zelt. $24$ Wirf in den Staub das
  1117. Golderz und in den Kies der Bäche [dein Gold aus] Ofir, $25$
  1118. so wird der Allmächtige dir dein Golderz und erlesenes Silber
  1119. sein. $26$ Denn dann wirst du am Allmächtigen deine Lust
  1120. haben und zu Gott dein Gesicht erheben. $27$ Du wirst zu ihm
  1121. beten, und er wird dich erhören; und deine Gelübde wirst du
  1122. erfüllen. $28$ Beschlieβt du eine Sache, wird sie zustande
  1123. kommen, und über deinen Wegen leuchtet Licht auf. $29$ Denn
  1124. er erniedrigt hochmütiges Reden, aber dem mit niedergeschlagenen
  1125. Augen hilft er. $30$ [Selbst] den nicht Schuldlosen wird er
  1126. retten; ja, er wird gerettet durch die Reinheit deiner Hände.
  1127.  
  1128. \23\
  1129. Hiobs Antwort: Klage über Gott wegen mangelnder Möglichkeit zur
  1130. Rechtfertigung.
  1131.  
  1132. $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
  1133.  
  1134. $2$ Auch heute ist Widerspruch mein Anliegen. Seine Hand
  1135. lastet schwer auf meinem Seufzen. $3$ Ach, daβ ich wüβte, wie
  1136. ich ihn finden und zu seiner Stätte kommen könnte! $4$ Ich
  1137. wollte vor ihm den Rechtsfall darlegen und meinen Mund mit
  1138. Beweisgründen füllen. $5$ Ich möchte [gern] die Worte wissen,
  1139. die er mir [dann] antwortet, und erfahren, was er zu mir sagt.
  1140. $6$ Ob er in der Fülle [seiner] Kraft wohl den Rechtsstreit
  1141. mit mir führen würde? Nein, gerade er wird auf mich achten.
  1142. $7$ Dort würde sich ein Redlicher mit ihm auseinandersetzen,
  1143. und entkommen werde ich für immer meinem Richter. $8$ Siehe,
  1144. gehe ich nach vorn, so ist er nicht da, nach hinten, so bemerke
  1145. ich ihn nicht, $9$ nach links, sein Tun schaue ich nicht,
  1146. biege ich ab nach rechts, so sehe ich ihn nicht.
  1147.  
  1148. $10$ Denn er kennt den Weg, der bei mir ist. Prüfte er mich,
  1149. wie Gold ginge ich hervor. $11$ An seinem Schritt hat mein
  1150. Fuβ festgehalten, seinen Weg habe ich bewahrt und bin nicht
  1151. abgewichen. $12$ Vom Gebot seiner Lippen lieβ ich nicht ab;
  1152. mehr als es meine Pflicht gewesen wäre, wahrte ich die Worte
  1153. seines Mundes. $13$ Doch er, der Eine - wer kann [ihm]
  1154. wehren? -, er tut, was seine Seele begehrt. $14$ Ja, er wird
  1155. vollenden, was für mich bestimmt ist; und dergleichen hat er
  1156. vieles [noch] im Sinn. $15$ Bestürzt bin ich darum vor seinem
  1157. Angesicht; erwäge ich es, so bebe ich vor ihm. $16$ Gott hat
  1158. mein Herz verzagt gemacht, und der Allmächtige hat mich in
  1159. Bestürzung versetzt. $17$ Doch werde ich nicht zum Schweigen
  1160. gebracht vor Finsternis, noch von mir selbst, den Dunkelheit
  1161. bedeckt.
  1162.  
  1163. \24\
  1164. Unbegreifliche Nachsicht Gottes mit den Gottlosen.
  1165.  
  1166. $1$ Warum sind dem Allmächtigen die Zeiten nicht unbekannt,
  1167. aber die, die ihn kennen, schauen seine Tage nicht? $2$ Die
  1168. Grenzen verrückt man, raubt eine Herde und bringt sie auf die
  1169. Weide. $3$ Den Esel der Waisen treibt man weg, pfändet der
  1170. Witwe den Stier. $4$ Man stöβt die Armen vom Weg; miteinander
  1171. müssen sich die Elenden des Landes verkriechen. $5$ Siehe,
  1172. [scheu wie] Wildesel in der Wüste ziehen sie hinaus an ihr Werk,
  1173. suchen nach Nahrung [in] der Steppe als Brot für die Kinder.
  1174. $6$ Auf dem Feld ernten sie sein Futter ab und halten im
  1175. Weinberg des Gottlosen Nachlese. $7$ Nackt übernachten sie,
  1176. ohne Gewand und ohne Decke in der Kälte, $8$ werden vom
  1177. Regenguβ der Berge durchnäβt, und ohne Zufluchtsort klammern sie
  1178. sich an den Fels. $9$ Man reiβt das Waisenkind [der Mutter]
  1179. von der Brust, und den Säugling des Elenden nimmt man als Pfand.
  1180. $10$ Nackt müssen sie einhergehen, ohne Gewand, und hungrig
  1181. die Garben schleppen. $11$ Zwischen ihren Mauern pressen sie
  1182. Öl, treten die Kelter und leiden Durst. $12$ Von der Stadt
  1183. her ächzen Sterbende, und die Seele der Durchbohrten schreit
  1184. auf. Doch Gott nimmt keinen Anstoβ daran.
  1185.  
  1186. $13$ Jene gehören zu den Feinden des Lichtes, nichts wollen
  1187. sie von seinen Wegen wissen und bleiben nicht auf seinen Pfaden.
  1188. $14$ Vor dem Tageslicht steht der Mörder auf, um den Elenden
  1189. und Armen zu töten, und in der Nacht geht der Dieb um. $15$
  1190. Auch des Ehebrechers Auge lauert auf die Abenddämmerung, indem
  1191. er sagt: Kein Auge kann mich dann erspähen. Und eine Hülle legt
  1192. er aufs Gesicht. $16$ Man bricht im Dunkeln in die Häuser
  1193. ein. Bei Tage schlieβen sie sich ein, Licht kennen sie nicht.
  1194. $17$ Denn ihnen allen miteinander [gilt] als Morgen die
  1195. Finsternis; ja, [jeder von ihnen] kennt die Schrecken der
  1196. Finsternis.
  1197.  
  1198. $18$ Leicht [treibt] er [dahin wie] auf der Oberfläche des
  1199. Wassers, verflucht wird ihr Feld auf Erden; nicht [mehr] schlägt
  1200. er den Weg zu den Weinbergen ein. $19$ Dürre und Hitze raffen
  1201. Schneewasser weg; [so] der Scheol [alle], die gesündigt haben.
  1202. $20$ Ihn vergiβt der Mutterleib. Gewürm labt sich an ihm, nie
  1203. mehr wird seiner gedacht - so muβ das Unrecht wie Holz
  1204. zerbrechen -, $21$ er, der sich mit der Unfruchtbaren
  1205. eingelassen hatte, die nicht gebiert, und der Witwe nichts Gutes
  1206. erwies. $22$ [Gott] erhält durch seine Kraft den Mächtigen am
  1207. Leben; der steht auf, auch [wenn] er [schon] des Lebens nicht
  1208. mehr sicher war. $23$ Er gibt ihm Sicherheit, und der weiβ
  1209. sich gestützt. Und seine Augen [wachen] über ihren Wegen.
  1210. $24$ Sie kommen hoch - ein wenig, dann ist es aus. Sie werden
  1211. erniedrigt, wie alle [andern] zusammengerafft und wie der Kopf
  1212. der Ähre abgeschnitten. $25$ Ist es denn nicht so? Wer will
  1213. mich Lügen strafen und meine Rede zunichte machen?
  1214.  
  1215. \25\
  1216. Dritte Rede des Bildad: Keine Gerechtigkeit der Menschen vor
  1217. Gott.
  1218.  
  1219. $1$ Und Bildad, der Schuchiter, antwortete und sagte:
  1220.  
  1221. $2$ Herrschaft und Schrecken sind bei ihm, der Frieden
  1222. schafft in seinen Höhen. $3$ Gibt es eine Zahl für seine
  1223. Scharen? Und über wem erhebt sich nicht sein Licht? $4$ Wie
  1224. könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott, und wie könnte rein
  1225. dastehen ein von der Frau Geborener? $5$ Siehe, selbst der
  1226. Mond scheint nicht hell, und die Sterne sind nicht rein in
  1227. seinen Augen, $6$ geschweige denn der Mensch, die Made, und
  1228. das Menschenkind, der Wurm!
  1229.  
  1230. \26\
  1231. Hiobs Antwort: Anerkenntnis der unfaβbaren Majestät Gottes.
  1232.  
  1233. $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
  1234.  
  1235. $2$ Wie hast du doch dem beigestanden, der keine Kraft hat,
  1236. hast dem Arm geholfen, der nicht stark ist! $3$ Wie hast du
  1237. den beraten, der keine Weisheit hat, und Gelingen in Fülle
  1238. geoffenbart! $4$ Wem hast du [denn deine] Worte mitgeteilt,
  1239. und wessen Geist ist von dir ausgegangen?
  1240.  
  1241. $5$ [Vor Gott] beben die Schatten unter den Wassern und ihren
  1242. Bewohnern. $6$ Nackt [liegt] der Scheol vor ihm, und keine
  1243. Hülle hat der Abgrund. $7$ Er spannt den Norden aus über der
  1244. Leere, hängt die Erde auf über dem Nichts. $8$ In seine
  1245. Wolken bindet er die Wasser ein, daβ unter ihnen das Gewölk
  1246. nicht reiβt. $9$ Er versperrt den Anblick [seines] Thrones,
  1247. indem er sein Gewölk darüber ausbreitet. $10$ Eine Schranke
  1248. hat er als Kreis über der Fläche der Wasser gezogen bis zum
  1249. äuβersten Ende von Licht und Finsternis. $11$ Die Säulen des
  1250. Himmels wanken und erstarren vor seinem Drohen. $12$ Durch
  1251. seine Kraft hat er das Meer erregt und durch seine Einsicht
  1252. Rahab zerschmettert. $13$ Durch seinen Hauch wird der Himmel
  1253. heiter, seine Hand hat die schnelle Schlange durchbohrt. $14$
  1254. Siehe, das sind die Säume seiner Wege; und wie wenig hören wir
  1255. von ihm! Doch den Donner seiner Machttaten, wer versteht ihn?
  1256.  
  1257. \27\
  1258. Hiobs Schluβrede: Beteuerung seiner Unschuld - Vergängliches
  1259. Glück der Gottlosen.
  1260.  
  1261. $1$ Und Hiob fuhr fort, seinen Spruch zu erheben, und sagte:
  1262.  
  1263. $2$ So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzogen, und der
  1264. Allmächtige, der meine Seele bitter gemacht hat, - $3$ ja,
  1265. solange noch irgend etwas von meinem Atem in mir ist und Gottes
  1266. Hauch in meiner Nase -: $4$ Wenn meine Lippen Unrecht reden
  1267. und wenn meine Zunge Trug ausspricht! $5$ Fern sei es von
  1268. mir, euch recht zu geben. Bis ich verscheide, lasse ich meine
  1269. Rechtschaffenheit nicht von mir weichen. $6$ An meiner
  1270. Gerechtigkeit halte ich fest und werde sie nicht fahren lassen;
  1271. mein Herz schmäht nicht einen von meinen Tagen. $7$ Meinem
  1272. Feind ergehe es wie dem Gottlosen und [dem], der gegen mich
  1273. auftritt, wie dem Übeltäter. $8$ Denn was ist des Ruchlosen
  1274. Hoffnung, wenn sein Leben ein Ende findet, wenn Gott seine Seele
  1275. nimmt? $9$ Wird Gott sein Hilfegeschrei hören, wenn die Not
  1276. über ihn kommt? $10$ Oder wird er an dem Allmächtigen seine
  1277. Lust haben, Gott anrufen zu jeder Zeit?
  1278.  
  1279. $11$ Ich will euch belehren über Gottes Tun, was der
  1280. Allmächtige im Sinn hat, nicht verhehlen. $12$ Siehe, ihr
  1281. selbst habt es alle geschaut, warum denn schwatzt ihr so
  1282. nichtiges Zeug? $13$ Dies ist das Los des gottlosen Menschen
  1283. bei Gott und das Erbe der Gewalttätigen, das sie vom
  1284. Allmächtigen empfangen: $14$ Wenn seine Söhne zahlreich
  1285. werden, dann für das Schwert, und seine Spröβlinge können sich
  1286. nicht satt essen an Brot. $15$ Seine Übriggebliebenen werden
  1287. vom Tod begraben, und seine Witwen weinen nicht. $16$ Wenn er
  1288. [auch] Silber aufschüttet wie Staub und Kleider aufstapelt wie
  1289. Lehm, - $17$ er stapelt sie [zwar] auf, aber der Gerechte
  1290. bekleidet sich [damit], und das Silber teilt der Schuldlose auf.
  1291. $18$ Er hat sein Haus gebaut wie die Motte und der Laubhütte
  1292. gleich, die ein Wächter [sich] macht. $19$ Reich legt er sich
  1293. hin, und nichts ist ihm genommen. Er schlägt die Augen auf, da
  1294. ist es nicht mehr. $20$ Wie Wasser erreichen ihn jähe
  1295. Schrecken, des Nachts entführt ihn ein Sturmwind. $21$ Der
  1296. Ostwind hebt ihn empor, daβ er dahinfährt, und reiβt ihn weg von
  1297. seiner Stätte. $22$ Er stürzt sich auf ihn ohne Schonung; vor
  1298. seiner Gewalt will er flüchtend entfliehen. $23$ Man klatscht
  1299. über ihn in die Hände und pfeift seinetwegen von seiner Stätte
  1300. aus.
  1301.  
  1302. \28\
  1303. Natürlicher Zugang zu den Schätzen der Erde, aber kein Zugang
  1304. zur Weisheit als nur durch Gottesfurcht.
  1305.  
  1306. $1$ Ja, für Silber gibt es einen Fundort und eine Stelle für
  1307. Gold, wo man es auswäscht. $2$ Eisen wird aus dem Erdreich
  1308. hervorgeholt, und Gestein schmilzt man zu Kupfer. $3$ Man
  1309. setzt der Finsternis ein Ende und durchforscht bis zur äuβersten
  1310. Grenze das Gestein der Dunkelheit und Finsternis. $4$ Man
  1311. bricht einen Schacht fern von dem [droben] Wohnenden. Vergessen
  1312. von dem Fuβ [, der oben geht], baumeln sie, fern von den
  1313. Menschen schweben sie. $5$ Die Erde, aus der das Brot
  1314. hervorkommt, ihr Unteres wird umgewühlt wie vom Feuer. $6$
  1315. Ihr Gestein ist die Fundstätte des Saphirs, und Goldstaub
  1316. [findet sich] darin. $7$ Ein Pfad, den der Raubvogel nicht
  1317. kennt und den das Auge der Königsweihe nicht erblickt hat, -
  1318. $8$ nie hat das stolze Wild ihn je betreten, der Löwe ist auf
  1319. ihm nicht geschritten. $9$ Nach dem harten Gestein streckt
  1320. man seine Hand aus, wühlt die Berge um von Grund auf. $10$ In
  1321. die Felsen treibt man Stollen, und allerlei Kostbares sieht das
  1322. Auge. $11$ Die Sickerstellen von Wasseradern dämmt man ein,
  1323. und Verborgenes zieht man hervor ans Licht.
  1324.  
  1325. $12$ Aber die Weisheit, wo kann man sie finden, und wo ist
  1326. denn die Fundstätte der Einsicht? $13$ Kein Mensch erkennt
  1327. ihren Wert, und im Land der Lebendigen wird sie nicht gefunden.
  1328. $14$ Die Tiefe sagt: In mir ist sie nicht! - und das Meer
  1329. sagt: Nicht bei mir! $15$ Geläutertes Gold kann für sie nicht
  1330. gegeben und Silber nicht abgewogen werden als Kaufpreis für sie.
  1331. $16$ Sie wird nicht aufgewogen mit Gold aus Ofir, mit
  1332. kostbarem Schoham-Stein oder Saphir. $17$ Gold und Glas sind
  1333. ihr nicht vergleichbar, noch läβt sie sich eintauschen gegen ein
  1334. goldenes Gerät. $18$ Korallen und Bergkristall brauchen gar
  1335. nicht erwähnt zu werden; und ein Beutel [voller] Weisheit ist
  1336. mehr [wert] als [ein Beutel voller] Perlen. $19$ Nicht
  1337. vergleichbar mit ihr ist Topas aus Kusch; mit dem reinsten Gold
  1338. wird sie nicht aufgewogen. $20$ Die Weisheit nun, woher kommt
  1339. sie, und wo denn ist die Fundstätte der Einsicht? $21$
  1340. Verhüllt ist sie vor den Augen alles Lebendigen, und vor den
  1341. Vögeln des Himmels ist sie verborgen. $22$ Der Abgrund und
  1342. der Tod sagen: [Nur] vom Hörensagen haben wir mit unsern Ohren
  1343. von ihr gehört.
  1344.  
  1345. $23$ Gott ist es, der Einsicht hat in ihren Weg, und er kennt
  1346. ihre Stätte. $24$ Denn nur er blickt bis zu den Enden der
  1347. Erde. Unter dem ganzen Himmel schaut er aus, $25$ um dem Wind
  1348. ein Gewicht zu bestimmen; und die Wasser begrenzte er mit einem
  1349. Maβ. $26$ Als er dem Regen eine Ordnung bestimmte und einen
  1350. Weg der donnernden Gewitterwolke, $27$ da sah er sie und
  1351. verkündigte sie, er stellte sie hin und erforschte sie auch.
  1352. $28$ Und zu dem Menschen sprach er: Siehe, die Furcht des
  1353. Herrn, sie ist Weisheit, und vom Bösen weichen, [das] ist
  1354. Einsicht.
  1355.  
  1356. \29\
  1357. Hiobs Selbstgespräch: Sein früheres Glück, Gottes Segen und
  1358. Anerkennung seitens der Menschen.
  1359.  
  1360. $1$ Und Hiob fuhr fort, seinen Spruch zu erheben, und sagte:
  1361.  
  1362. $2$ O daβ ich wäre wie in den früheren Monaten, wie in den
  1363. Tagen, da Gott mich behütete! - $3$ als seine Leuchte über
  1364. meinem Haupt schien, als ich bei seinem Licht durch die
  1365. Finsternis ging; $4$ wie ich war in den Tagen meiner Jugend,
  1366. als über meinem Zelt Gottes Rat [waltete], $5$ als der
  1367. Allmächtige noch mit mir war, meine Söhne mich umgaben; $6$
  1368. als meine Schritte sich in Dickmilch badeten, und der Fels neben
  1369. mir Bäche von Öl ausgoβ! $7$ Ging ich durch das Tor in die
  1370. Stadt hinauf, stellte ich meinen Sitz auf dem [öffentlichen]
  1371. Platz auf. $8$ Sahen mich [dann] die jungen Männer, so
  1372. verbargen sie sich, und die Greise erhoben sich, blieben stehen.
  1373. $9$ Die Obersten hielten die Worte zurück und legten die Hand
  1374. auf ihren Mund. $10$ Die Stimme der führenden Männer
  1375. verstummte, und ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen. $11$ Hörte
  1376. [mich] ein Ohr, so pries es mich glücklich, und sah [mich] ein
  1377. Auge, so legte es Zeugnis für mich ab. $12$ Denn ich befreite
  1378. den Elenden, der um Hilfe rief, und die Waise, die keinen Helfer
  1379. hatte. $13$ Der Segenswunsch des Mutlosen kam auf mich, und
  1380. das Herz der Witwe lieβ ich jauchzen. $14$ Ich kleidete mich
  1381. in Gerechtigkeit, mich bekleidete wie ein Oberkleid und Kopfbund
  1382. mein Recht. $15$ Auge wurde ich dem Blinden, und Fuβ dem
  1383. Lahmen war ich! $16$ Ein Vater war ich für die Armen, und den
  1384. Rechtsstreit dessen, den ich nicht kannte, untersuchte ich.
  1385. $17$ Und ich zerschmetterte die Kinnladen des Übeltäters, und
  1386. seinen Zähnen entriβ ich die Beute. $18$ Und ich sagte [mir]:
  1387. Mit meinem Nest werde ich verscheiden und wie der Phönix meine
  1388. Tage zahlreich machen. $19$ Meine Wurzel wird geöffnet sein
  1389. zum Wasser hin, und der Tau wird auf meinem Gezweig übernachten.
  1390. $20$ Meine Ehre wird frisch bei mir bleiben, und mein Bogen
  1391. in meiner Hand wird sich verjüngen.
  1392.  
  1393. $21$ Man hörte mir zu und wartete und verhielt sich still
  1394. gegenüber meinem Rat. $22$ Hatte ich geredet, so sagte man
  1395. nichts mehr [dagegen], und auf sie träufelte meine Rede. $23$
  1396. Und sie warteten auf mich wie auf Regen und sperrten ihren Mund
  1397. auf [wie] nach Spätregen. $24$ Lächelte ich denen zu, die
  1398. kein Vertrauen hatten, dann nahmen sie das Leuchten meines
  1399. Gesichts auf. $25$ Ich wählte für sie den Weg aus und saβ als
  1400. Haupt und thronte wie ein König unter der Kriegsschar wie einer,
  1401. der Trauernde tröstet.
  1402.  
  1403. \30\
  1404. Sein jetziges Elend, Verachtung durch die Menschen, Gottes
  1405. feindliche Gesinnung - Berechtigung zur Klage.
  1406.  
  1407. $1$ Jetzt aber lachen sie über mich, die jünger sind als ich
  1408. an Jahren, bei denen ich es abgelehnt hätte, ihre Väter den
  1409. Hunden meiner Herde beizugesellen. $2$ Wozu sollte mir auch
  1410. die Kraft ihrer Hände [dienen]? Die Rüstigkeit ist bei ihnen
  1411. [jedoch] verloren. $3$ Durch Mangel und Hunger unfruchtbar -
  1412. sie, die die [Wurzeln der] Wüste abnagen - sind sie Menschen der
  1413. Öde und Verödung [geworden], $4$ sie, die Salzkraut pflücken
  1414. am Gesträuch und deren Brot die Ginsterwurzel ist. $5$ Aus
  1415. der Gemeinschaft werden sie vertrieben. Man schreit über sie wie
  1416. über den Dieb. $6$ Am Abhang der Bachtäler müssen sie wohnen,
  1417. in Erdlöchern und Felsen[höhlen]. $7$ Zwischen Sträuchern
  1418. schreien sie, unter Unkraut finden sie sich zusammen. $8$
  1419. Gottloses Volk, ja, Gesindel ohne Namen, sind sie aus dem Land
  1420. hinausgepeitscht worden.
  1421.  
  1422. $9$ Und nun bin ich ihr Spottlied geworden, ich wurde für sie
  1423. zum Gerede. $10$ Sie verabscheuen mich, haben sich von mir
  1424. entfernt, und nicht mit Speichel für mein Gesicht gespart.
  1425. $11$ Denn er hat meine Bogensehne gelöst und mich gedemütigt,
  1426. so daβ sie vor mir den Zügel schieβen lassen. $12$ Zu meiner
  1427. Rechten erhebt sich die Brut. Sie stoβen meine Füβe weg und
  1428. schütten gegen mich ihre Unheilsdämme auf. $13$ Sie reiβen
  1429. meinen Pfad auf, helfen zu meinem Untergang, und niemand hält
  1430. sie dabei auf. $14$ Wie durch eine breite Bresche kommen sie,
  1431. unter Krachen wälzen sie sich heran. - $15$ Plötzlicher
  1432. Schrecken hat sich gegen mich gewandt, er jagt wie der Wind
  1433. meiner Würde nach; und wie eine Wolke ist meine Rettung
  1434. vorübergezogen.
  1435.  
  1436. $16$ Und nun zerflieβt in mir meine Seele, die Tage des
  1437. Elends packen mich. $17$ Nachts bohrt es mir meine Knochen
  1438. aus, und die an mir nagenden [Schmerzen] ruhen nicht. $18$
  1439. Mit gewaltiger Kraft packt er mein Gewand, wie der Kragen meines
  1440. Leibrocks schnürt er mich ein. $19$ Er hat mich in den Dreck
  1441. geworfen, so daβ ich dem Staub und der Asche gleich geworden
  1442. bin. $20$ Ich schreie zu dir, und du antwortest mir nicht.
  1443. Ich stehe da, doch du achtest nicht auf mich. $21$ In einen
  1444. Grausamen verwandelst du dich mir, mit der Stärke deiner Hand
  1445. feindest du mich an. $22$ Du hebst mich auf den Wind, du läβt
  1446. mich [auf ihm] reiten und mich zergehen im Krachen [des
  1447. Gewitters]. $23$ Denn ich habe es erkannt, zum Tod führst du
  1448. mich zurück und in das Versammlungshaus aller Lebendigen.
  1449.  
  1450. $24$ Doch streckt man unter Trümmern nicht die Hand [nach
  1451. Rettung] aus, oder [erhebt man] bei seinem Untergang [nicht] ein
  1452. Hilfegeschrei deswegen? $25$ Oder weinte ich nicht über den,
  1453. der harte Tage hatte, hatte meine Seele mit dem Armen [denn
  1454. kein] Mitgefühl? $26$ Ja, Gutes erwartete ich, und es kam
  1455. Böses. Und ich harrte auf Licht, und es kam Dunkelheit. $27$
  1456. Meine Eingeweide sind zum Sieden gebracht und haben keine Ruhe.
  1457. Tage des Elends sind mir entgegengetreten. $28$ Trauernd gehe
  1458. ich einher ohne Sonne. Ich stehe auf in der Versammlung [und]
  1459. schreie um Hilfe. $29$ Ich bin ein Bruder geworden den
  1460. Schakalen und ein Gefährte den Strauβenhennen. $30$ Meine
  1461. Haut ist schwarz geworden [und löst sich] von mir ab, und mein
  1462. Gebein brennt vor [Fieber]hitze. $31$ Und so ist meine Zither
  1463. zur Trauerklage geworden und meine Flöte zur Stimme der
  1464. Weinenden.
  1465.  
  1466. \31\
  1467. Sein unsträfliches Verhalten gegen Gott und Menschen -
  1468. Bereitschaft mit Gott zu rechten.
  1469.  
  1470. $1$ Einen Bund habe ich mit meinen Augen geschlossen. Wie
  1471. hätte ich da auf eine Jungfrau [lüstern] blicken sollen? $2$
  1472. Denn was wäre [dafür] die Zuteilung von Gott droben gewesen und
  1473. das Erbteil vom Allmächtigen in den Höhen? $3$ Ist nicht
  1474. Verderben für den Übeltäter [bestimmt] und Miβgeschick für die,
  1475. die Unrecht tun? $4$ Sieht er nicht meine Wege und zählt alle
  1476. meine Schritte?
  1477.  
  1478. $5$ Wenn ich mit Gehaltlosem umgegangen bin und mein Fuβ zum
  1479. Betrug geeilt ist, - $6$ er soll mich auf der Waage der
  1480. Gerechtigkeit wiegen, so wird Gott meine Rechtschaffenheit
  1481. erkennen! $7$ Wenn mein Schritt vom Weg abgebogen und mein
  1482. Herz meinen Augen gefolgt ist und an meinen Händen ein Makel
  1483. klebt, $8$ dann möge ich säen und ein anderer essen, und
  1484. meine Spröβlinge mögen entwurzelt werden!
  1485.  
  1486. $9$ Wenn mein Herz sich wegen einer Frau hat betören lassen
  1487. und ich an der Tür meines Nächsten gelauert habe, $10$ [dann]
  1488. soll meine Frau für einen anderen mahlen, und andere mögen über
  1489. ihr niederknien! $11$ Denn das wäre eine Schandtat und das
  1490. eine Schuld, die vor die Richter gehört. $12$ Ja, ein Feuer
  1491. wäre es, das bis zum Untergang fräβe und meinen ganzen Ertrag
  1492. entwurzeln würde.
  1493.  
  1494. $13$ Wenn ich miβachtet habe das Recht meines Knechtes und
  1495. meiner Magd in ihrem Rechtsstreit mit mir, $14$ was wollte
  1496. ich dann tun, wenn Gott sich erhöbe; und wenn er untersuchte,
  1497. was ihm erwidern? $15$ Hat nicht er, der mich im Mutterleib
  1498. gemacht hat, [auch] ihn gemacht, und hat nicht einer im
  1499. Mutterschoβ uns bereitet?
  1500.  
  1501. $16$ Wenn ich Geringen einen Wunsch verweigert habe, die
  1502. Augen der Witwe erlöschen lieβ $17$ und meinen Bissen alleine
  1503. aβ, so daβ die Waise nichts [mehr] davon essen konnte - $18$
  1504. ist sie doch von meiner Jugend an bei mir aufgewachsen wie [bei]
  1505. einem Vater, und wie eine Schwester habe ich sie geleitet -,
  1506. $19$ wenn ich [ruhig] zusah, wie einer ohne Kleidung
  1507. umherirrte und der Arme keine Decke hatte, $20$ wenn seine
  1508. Lenden mich nicht segneten und er sich von der Wolle meiner
  1509. Lämmer nicht wärmen durfte, $21$ wenn ich [drohend] meine
  1510. Hand gegen eine Waise geschwungen habe, weil ich im Tor meinen
  1511. Beistand sah, $22$ dann soll mir meine Schulter vom Nacken
  1512. fallen, und mein Arm soll vom Gelenk abbrechen! $23$ Denn
  1513. schrecklich wäre mir das Verderben Gottes, und seiner Hoheit
  1514. könnte ich nicht standhalten.
  1515.  
  1516. $24$ Wenn ich das Gold zu meiner Zuversicht gemacht und zum
  1517. feinen Gold gesagt habe: Du meine Hoffnung! $25$ Wenn ich
  1518. mich freute, daβ mein Vermögen so umfangreich war und daβ meine
  1519. Hand Gewaltiges erreicht hatte! $26$ Wenn ich das Licht [der
  1520. Sonne] sah, wie sie es leuchten lieβ, und den Mond, wie er
  1521. prächtig daherzog, $27$ und mein Herz sich [dann] im Geheimen
  1522. betören lieβ und ich Kuβhände warf! $28$ Auch das ist Schuld,
  1523. die vor den Richter gehört! Ich hätte ja Gott droben verleugnet.
  1524.  
  1525. $29$ Wenn ich mich freute über den Untergang meines Hassers
  1526. und aufjauchzte, als Unglück ihn traf! $30$ Nie habe ich ja
  1527. meinem Gaumen erlaubt zu sündigen, mit einem Fluch dessen Seele
  1528. zu fordern.
  1529.  
  1530. $31$ Wenn die Männer in meinem Zelt nicht bezeugt haben: Wer
  1531. wäre wohl nicht von seinem Fleisch satt geworden! $32$ Der
  1532. Fremde muβte nicht im Freien übernachten, ich öffnete dem
  1533. Wanderer meine Tür.
  1534.  
  1535. $33$ Wenn ich wie Adam meine Vergehen zugedeckt habe, um
  1536. meine Schuld in meiner Brust zu verbergen, $34$ weil ich etwa
  1537. erschrocken gewesen wäre [vor] der groβen Menge und die
  1538. Verachtung der Sippen mich niedergeschmettert hätte, so daβ ich
  1539. mich still verhalten hätte, nicht zur Türe hinausgegangen wäre!
  1540.  
  1541. $35$ Ach hätte ich doch einen, der auf mich hörte, - hier ist
  1542. meine Unterschrift! Der Allmächtige antworte mir! [Wo ist] die
  1543. [Klage]schrift, die mein Rechtsgegner geschrieben hat? $36$
  1544. Wahrlich, ich würde sie auf meine Schulter heben, sie mir um
  1545. [den Kopf] winden als Kranz. $37$ Ich würde ihm über die Zahl
  1546. meiner Schritte Auskunft geben, wie ein Fürst würde ich ihm
  1547. nahen.
  1548.  
  1549. $38$ Wenn gegen mich mein Ackerboden Anklage erhob und seine
  1550. Furchen miteinander weinten, $39$ wenn ich seinen Ertrag,
  1551. ohne zu bezahlen, verzehrt habe und die Seele seiner Besitzer
  1552. zum Keuchen brachte, $40$ [dann] soll statt Weizen
  1553. Dorngestrüpp hervorkommen und anstelle von Gerste Unkraut!
  1554.  
  1555. Zu Ende sind die Worte Hiobs.
  1556.  
  1557. \32\
  1558. Erste Rede des Elihu: Bisherige Zurückhaltung und
  1559. Unparteilichkeit - Aufforderung an Hiob zur Stellungnahme.
  1560.  
  1561. $1$ Und jene drei Männer hörten auf, dem Hiob zu antworten,
  1562. weil er in seinen Augen gerecht war. $2$ Da entbrannte der
  1563. Zorn Elihus, des Sohnes Barachels, des Busiters, von der Sippe
  1564. Ram. Gegen Hiob entbrannte sein Zorn, weil er sich Gott
  1565. gegenüber im Recht betrachtete. $3$ Und gegen seine drei
  1566. Freunde entbrannte sein Zorn, weil sie keine Antwort gefunden
  1567. und Hiob [doch] für schuldig erklärt hatten. $4$ Elihu aber
  1568. hatte sich Hiob gegenüber zurückgehalten mit Reden, weil jene
  1569. die älteren an Jahren waren als er. $5$ Und als Elihu sah,
  1570. daβ keine Antwort [mehr] in dem Mund der drei Männer war, da
  1571. entbrannte sein Zorn. $6$ Und Elihu, der Sohn des Barachel,
  1572. der Busiter, hob an und sagte:
  1573.  
  1574. Ich bin der Jüngste an Jahren, und ihr seid Greise. Darum hatte
  1575. ich Angst und fürchtete mich, euch mein Wissen zu verkünden.
  1576. $7$ Ich sagte [mir]: Mag [erst] das Alter reden, soll die
  1577. Menge der Jahre Weisheit erkennen lassen! $8$ Jedoch - es ist
  1578. der Geist im Menschen und der Atem des Allmächtigen, der sie
  1579. verständig werden läβt. $9$ Nicht [nur] die Betagten sind die
  1580. Weisen, noch verstehen [stets] die Alten, was recht ist. $10$
  1581. Darum sage ich: Hört mir zu! Auch ich will mein Wissen
  1582. verkünden. $11$ Siehe, ich wartete auf eure Worte, horchte
  1583. auf eure einsichtigen [Reden], bis ihr [die rechten] Worte
  1584. ausfindig gemacht hättet. $12$ Und ich wandte euch meine
  1585. Aufmerksamkeit zu, doch siehe, keiner war da, der Hiob widerlegt
  1586. hätte, [keiner] von euch, der seine Worte erwidert hätte.
  1587. $13$ Daβ ihr [aber ja] nicht sagt: Wir haben Weisheit
  1588. gefunden; Gott kann ihn aus dem Felde schlagen, nicht ein
  1589. Mensch! $14$ Er hat ja nicht an mich [seine] Worte gerichtet,
  1590. und mit euren Worten werde ich ihm nicht erwidern. - $15$ Sie
  1591. sind bestürzt, sie antworten nicht mehr, die Worte lassen sie im
  1592. Stich. $16$ Soll ich da warten, weil sie nicht reden, weil
  1593. sie dastehen [und] nicht mehr antworten? $17$ Auch ich will
  1594. meinerseits mein Teil erwidern, auch ich will mein Wissen
  1595. verkünden. $18$ Denn erfüllt bin ich mit Worten; der Geist in
  1596. meinem Innern bedrängt mich. $19$ Siehe, mein Inneres ist wie
  1597. [junger] Wein, der nicht geöffnet ist; gleich neu [gefüllten]
  1598. Schläuchen will es bersten. $20$ Ich muβ reden, damit ich
  1599. Luft bekomme, ich will meine Lippen auftun und antworten.
  1600. $21$ Für keinen werde ich Partei ergreifen, und keinem
  1601. Menschen werde ich schmeicheln! $22$ Denn ich verstehe mich
  1602. nicht aufs Schmeicheln ; sonst würde mein Schöpfer mich [wohl]
  1603. bald dahinraffen.
  1604.  
  1605. \33\
  1606.  
  1607. $1$ Du aber, Hiob, höre doch meine Reden, und all meine Worte
  1608. nimm zu Ohren! $2$ Sieh doch, ich habe meinen Mund aufgetan,
  1609. meine Zunge redet in meinem Gaumen. $3$ Geradheit meines
  1610. Herzens - [das] sind meine Worte, und lauter künden meine Lippen
  1611. Erkenntnis. $4$ Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der
  1612. Atem des Allmächtigen belebt mich. $5$ Wenn du kannst, gib
  1613. mir Antwort, bring [sie] vor, stelle dich vor mich hin! $6$
  1614. Siehe, ich bin vor Gott soviel wie du, vom Lehm [nur]
  1615. abgekniffen bin auch ich. $7$ Siehe, Angst vor mir braucht
  1616. dich nicht zu erschrecken, und mein Drängen wird nicht schwer
  1617. auf dir lasten.
  1618.  
  1619. \33\
  1620. Abwehr der Anklagen Hiobs gegen Gott - Gottes Zucht zum Heil der
  1621. Seele - Aufforderung zur Stellungnahme oder zum Zuhören.
  1622.  
  1623. $8$ Du sagtest doch vor meinen Ohren - und den Laut [deiner]
  1624. Worte höre ich [noch] -: $9$ Lauter bin ich, ohne ein
  1625. Vergehen. Rein bin ich und habe keine Schuld. $10$ Siehe, er
  1626. erfindet Anlässe zum Widerstand gegen mich, er hält mich für
  1627. seinen Feind. $11$ Er legt meine Füβe in den Block, überwacht
  1628. alle meine Pfade. - $12$ Siehe, darin bist du nicht im Recht,
  1629. antworte ich dir; denn Gott ist gröβer als ein Mensch.
  1630.  
  1631. $13$ Warum rechtest du mit ihm, weil er auf all seine Worte
  1632. keine Antwort gibt? $14$ Doch auf eine Weise redet Gott und
  1633. auf eine zweite, und man wird es nicht gewahr. $15$ Im Traum,
  1634. im Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf auf die Menschen fällt, im
  1635. Schlummer auf dem Lager, $16$ dann öffnet er das Ohr der
  1636. Menschen und bestätigt die Warnung für sie, $17$ um den
  1637. Menschen von [seinem] Tun abzuwenden und den Hochmut vom Mann
  1638. abzuhauen, $18$ um seine Seele zurückzuhalten von der Grube
  1639. und sein Leben davon, in den Spieβ zu rennen.
  1640.  
  1641. $19$ Auch wird er gezüchtigt durch Schmerzen auf seinem
  1642. Lager, und ununterbrochen [währt] der Streit in seinen Gebeinen.
  1643. $20$ Und sein Leben verabscheut das Brot und seine Seele die
  1644. Lieblingsspeise. $21$ Sein Fleisch vergeht, ist unansehnlich,
  1645. und fleischlos sind seine Knochen, die [sonst] nicht zu sehen
  1646. waren. $22$ Und seine Seele nähert sich der Grube und sein
  1647. Leben den Todesboten.
  1648.  
  1649. $23$ Wenn er da einen Engel bei sich hat, einen Mittler,
  1650. einen von den Tausend, der dem Menschen seine Pflicht mitteilen
  1651. soll, $24$ so wird der sich über ihn erbarmen und sprechen:
  1652. Befreie ihn, damit er nicht in die Grube hinabfährt! Ich habe
  1653. Lösegeld [für ihn] gefunden. $25$ Sein Fleisch wird frischer
  1654. sein als in der Jugendkraft; er wird zurückkehren zu den Tagen
  1655. seiner Jugend. $26$ Er wird zu Gott flehen, und der wird ihn
  1656. gnädig annehmen, und er darf sein Angesicht schauen mit Jubel;
  1657. und Gott wird dem Menschen seine Gerechtigkeit zurückgeben.
  1658. $27$ Er wird vor den Menschen singen und sagen: Ich hatte
  1659. gesündigt und das Rechte verkehrt, und er hat mir nicht
  1660. vergolten. $28$ Er hat meine Seele erlöst vor dem Abstieg in
  1661. die Grube, und mein Leben darf das Licht schauen.
  1662.  
  1663. $29$ Siehe, das alles tut Gott zweimal, dreimal mit dem Mann,
  1664. $30$ um seine Seele von der Grube zurückzuholen, damit er vom
  1665. Licht des Lebens erleuchtet werde. $31$ Merke auf, Hiob, höre
  1666. mir zu! Schweige, und ich will reden! $32$ Wenn du Worte
  1667. hast, erwidere mir [etwas]! Rede nur, denn ich wollte dir gern
  1668. recht geben! $33$ Wenn [aber] nicht, höre du mir zu!
  1669. Schweige, und ich werde dich Weisheit lehren!
  1670.  
  1671. \34\
  1672. Zweite Rede des Elihu: Gegen Hiobs Reden über die
  1673. Ungerechtigkeit Gottes - Keine Rechtsbeugung durch den
  1674. Allmächtigen.
  1675.  
  1676. $1$ Und Elihu erhob [seine Stimme] und sagte:
  1677.  
  1678. $2$ Hört, ihr Weisen, meine Worte und ihr Kundigen, gebt mir
  1679. Gehör! $3$ Denn das Ohr prüft die Worte, und der Gaumen
  1680. kostet die Speise. $4$ Laβt uns nun prüfen, was recht ist,
  1681. laβt uns untereinander erkennen, was gut ist!
  1682.  
  1683. $5$ Denn Hiob hat gesagt: Ich bin gerecht, und Gott hat mir
  1684. mein Recht entzogen. $6$ Obwohl ich im Recht bin, soll ich
  1685. ein Lügner sein. Mein Geschick ist unheilbar, ohne daβ ich
  1686. irgend etwas verbrochen hätte. - $7$ Wer ist ein Mann wie
  1687. Hiob, der Spott[worte] wie Wasser trinkt $8$ und in
  1688. Gemeinschaft mit denen unterwegs ist, die Unrecht tun, und mit
  1689. gottlosen Menschen umgeht? $9$ Denn er hat [selbst] gesagt:
  1690. Keinen Nutzen hat ein Mann davon, daβ er sich mit Gott
  1691. befreundet!
  1692.  
  1693. $10$ Darum, ihr Männer mit Verstand, hört mir zu! Fern sei es
  1694. von Gott, gottlos zu handeln, und vom Allmächtigen, Unrecht zu
  1695. tun! $11$ Sondern des Menschen Tun vergilt er ihm, und nach
  1696. eines jeden Weg läβt er es ihn finden. $12$ Ja, wahrlich,
  1697. Gott handelt nicht gottlos, und der Allmächtige beugt das Recht
  1698. nicht. $13$ Wer hat ihm die Erde anvertraut? Und wer hat den
  1699. ganzen Erdkreis hingestellt? $14$ Wenn er sein Herz [nur] auf
  1700. sich selbst richtete, seinen Geist und seinen Atem zu sich
  1701. zurückzöge, $15$ so würde alles Fleisch insgesamt
  1702. verscheiden, und der Mensch zum Staub zurückkehren.
  1703.  
  1704. $16$ Und wenn du einsichtig bist, höre dies, schenke der
  1705. Stimme meiner Worte Gehör! $17$ Kann denn einer, der das
  1706. Recht haβt, die Zügel führen? Oder willst du den Gerechten, den
  1707. Gewaltigen für schuldig erklären, ihn, $18$ der zu einem
  1708. König sagt `du Ruchloser', und `du Gottloser' zu den Edlen?
  1709. $19$ Der für die Obersten nicht Partei ergreift und den
  1710. Vornehmen nicht vor dem Geringen berücksichtigt? Denn das Werk
  1711. seiner Hände sind sie alle. $20$ In einem Augenblick sterben
  1712. sie und mitten in der Nacht. Ein Volk wird in Aufruhr versetzt,
  1713. und sie vergehen. Und er beseitigt den Gewalthaber ohne
  1714. menschliches Zutun. $21$ Denn seine Augen [wachen] über den
  1715. Wegen des Menschen, und all seine Schritte sieht er. $22$ Da
  1716. ist keine Dunkelheit und keine Finsternis, worin sich die
  1717. Übeltäter verbergen könnten. $23$ Denn er setzt dem Menschen
  1718. keine Frist fest, zu Gott vor Gericht zu kommen. $24$ Er
  1719. zerschmettert Gewaltige ohne Untersuchung und setzt andere an
  1720. ihre Stelle. $25$ Daher achtet er auf ihre Taten und stürzt
  1721. sie um über Nacht, daβ sie zermalmt daliegen. $26$ Wie
  1722. Gottlose schlägt er sie da, wo alle es sehen, $27$ deshalb,
  1723. weil sie von seiner Nachfolge abgewichen sind und all seine Wege
  1724. nicht bedacht haben, $28$ so daβ sie das Hilfegeschrei des
  1725. Geringen zu ihm hinaufdringen lieβen und er das Hilfegeschrei
  1726. der Elenden hörte. $29$ Verhält er sich ruhig, wer darf ihn
  1727. für schuldig erklären? Verbirgt er das Angesicht, wer kann ihn
  1728. wahrnehmen? Sowohl über einer [ganzen] Nation als auch zugleich
  1729. über dem einzelnen [wacht er], $30$ damit nicht ruchlose
  1730. Menschen Könige seien, dem Volk zu Fallstricken.
  1731.  
  1732. $31$ Soll Gott dir etwa sagen: Ich habe mich geirrt, [doch]
  1733. ich will nicht [mehr] böse handeln; $32$ was ich nicht sehe,
  1734. lehre du mich; wenn ich Unrecht verübt habe, will ich es nicht
  1735. wieder tun? - $33$ Soll nach deinem Sinn er es vergelten, da
  1736. du [sein Urteil] ja verwirfst? So muβt du ja wählen, und nicht
  1737. ich. Was du erkannt hast, sprich aus! $34$ Männer mit
  1738. Verstand werden zu mir sagen und ein weiser Mann, der mir
  1739. zuhört: $35$ Hiob redet nicht mit Erkenntnis, und seine Worte
  1740. sind ohne Einsicht. $36$ Wohlan, Hiob werde fort und fort
  1741. geprüft wegen seiner Einwände nach [der Art von] Männern des
  1742. Unheils! $37$ Denn er fügt seiner Sünde Treubruch hinzu, in
  1743. unserer Gegenwart klatscht er [sich Beifall] und macht seine
  1744. Worte gegen Gott zahlreich.
  1745.  
  1746. \35\
  1747. Dritte Rede des Elihu: Bedeutung des Tuns des Menschen - Keine
  1748. Erhörung bei Gott bei Mangel an Gottesfurcht.
  1749.  
  1750. $1$ Und Elihu erhob [seine Stimme] und sagte:
  1751.  
  1752. $2$ Hältst du dies für Recht, nennst du [das] `meine
  1753. Gerechtigkeit vor Gott', $3$ wenn du fragst, was sie dir
  1754. nützt: `Was hilft es mir, daβ ich nicht sündige?' - $4$ Ich
  1755. will mit Worten dir erwidern und deinen Gefährten bei dir.
  1756. $5$ Blicke zum Himmel und sieh und schaue die Wolken an! Sie
  1757. sind höher als du. $6$ Wenn du sündigst, was kannst du ihm
  1758. [damit] antun? Werden zahlreich deine Verbrechen, was kannst du
  1759. ihm zufügen? $7$ Wenn du gerecht bist, was gibst du ihm, oder
  1760. was empfängt er aus deiner Hand? $8$ Den Mann, dir gleich,
  1761. [trifft] deine Gottlosigkeit und das Menschenkind deine
  1762. Gerechtigkeit.
  1763.  
  1764. $9$ Wegen der Menge der Unterdrückung erhebt man
  1765. Klagegeschrei. Man ruft um Hilfe wegen der Gewalttätigkeit der
  1766. Groβen. $10$ Aber man sagt nicht: Wo ist Gott, mein Schöpfer,
  1767. der Lobgesänge gibt in der Nacht, $11$ der uns mehr als die
  1768. Tiere der Erde belehrt und uns weiser macht als die Vögel des
  1769. Himmels? $12$ Dort schreien sie - doch er antwortet nicht -
  1770. wegen des Übermutes der Bösen. $13$ Ja, vergebens! Gott hört
  1771. nicht, und der Allmächtige sieht es nicht an. $14$ Nun gar,
  1772. wenn du sagst: du kannst ihn nicht sehen! Der Rechtsfall [liegt]
  1773. ihm vor, so warte auf ihn! $15$ Und nun, weil sein Zorn
  1774. [noch] nicht heimgesucht hat und er sich nicht so sehr um
  1775. Albernheiten kümmert, $16$ reiβt Hiob für Nichtiges seinen
  1776. Mund auf, macht ohne Erkenntnis viel Worte.
  1777.  
  1778. \36\
  1779. Vierte Rede des Elihu: Durch Leiden zu Selbsterkenntnis und
  1780. Gehorsam - Mahnung an Hiob zur Anerkennung von Gottes Tun.
  1781.  
  1782. $1$ Und Elihu fuhr fort und sagte:
  1783.  
  1784. $2$ Hab ein wenig Geduld mit mir, und ich will es dir künden!
  1785. Denn mehr noch habe ich für Gott zu sagen. $3$ Ich will mein
  1786. Wissen von weither holen und meinem Schöpfer Gerechtigkeit
  1787. geben. $4$ Ja wahrlich, meine Worte sind keine Lüge; ein
  1788. [Mann] mit vollkommenem Wissen [steht] vor dir.
  1789.  
  1790. $5$ Siehe, Gott ist gewaltig, doch verwirft er niemanden; er
  1791. ist gewaltig an Kraft des Herzens. $6$ Er erhält den
  1792. Gottlosen nicht am Leben, und das Recht der Elenden stellt er
  1793. [wieder] her. $7$ Nicht wendet er seine Augen von dem
  1794. Gerechten, und mit Königen auf dem Thron, da läβt er sie
  1795. immerdar sitzen, so daβ sie erhaben sind. $8$ Und wenn sie in
  1796. Fesseln geschlagen, in Stricken des Elends gefangen sind, $9$
  1797. dann zeigt er ihnen ihr Tun und ihre Vergehen, daβ sie sich
  1798. überheblich gebärdeten, $10$ und er öffnet ihr Ohr für Zucht
  1799. und sagt [ihnen], daβ sie umkehren sollen vom Unrecht. $11$
  1800. Wenn sie hören und sich unterwerfen, vollenden sie ihre Tage im
  1801. Glück und ihre Jahre in Annehmlichkeiten. $12$ Wenn sie aber
  1802. nicht hören, rennen sie in den Spieβ und verscheiden ohne
  1803. Erkenntnis. $13$ Aber die ein ruchloses Herz haben, hegen
  1804. Zorn. Sie rufen nicht um Hilfe, wenn er sie fesselt. $14$
  1805. Ihre Seele stirbt dahin in der Jugend und ihr Leben im
  1806. Jünglingsalter. $15$ Den Elenden errettet er in seinem Elend
  1807. und öffnet durch Bedrängnis sein Ohr.
  1808.  
  1809. $16$ Auch dich lockt er fort aus dem Rachen der Not,
  1810. unbeengte Weite ist dein Platz, und was auf deinen Tisch kommt,
  1811. ist reich an Fett. $17$ Bist du aber mit dem Urteil über den
  1812. Gottlosen erfüllt, werden Urteil und Rechtsspruch [dich]
  1813. ergreifen. $18$ Ja, daβ [deine] Erregung dich nur nicht zum
  1814. Höhnen anstiftet und die Gröβe des Lösegeldes dich nicht
  1815. verleitet! $19$ Soll dich dein Hilferuf aus der Not
  1816. herausbringen und alle Kraftanstrengungen? $20$ Lechze nicht
  1817. nach der Nacht, [danach], daβ [ganze] Völker auffahren an ihrer
  1818. Stelle! $21$ Hüte dich, wende dich nicht dem Unrecht zu! Denn
  1819. Bosheit hast du dem Elend [bereits] vorgezogen.
  1820.  
  1821. $22$ Siehe, Gott handelt erhaben in seiner Macht. Wer ist ein
  1822. Lehrer wie er? $23$ Wer könnte ihm seinen Weg vorschreiben,
  1823. und wer dürfte sagen: Du hast unrecht getan? $24$ Denke
  1824. daran, daβ du sein Werk preist, das Menschen besingen! $25$
  1825. Alle Menschen schauen es [staunend] an, der Sterbliche erblickt
  1826. es aus der Ferne.
  1827.  
  1828. \36\
  1829. Offenbarung von Gottes Majestät in der Natur - Mahnung zur
  1830. Demütigung vor Gott.
  1831.  
  1832. $26$ Siehe, Gott ist erhaben, wir aber erkennen es nicht; die
  1833. Zahl seiner Jahre, sie ist unerforschlich. $27$ Wenn er die
  1834. Wassertropfen heraufzieht, sickern sie durch seinen Nebel
  1835. [wieder herab] als Regen, $28$ den die Wolken niederrieseln
  1836. [und] träufeln auf die vielen Menschen. $29$ Ja, wenn man gar
  1837. das Ausbreiten des Gewölks verstünde, das Donnerkrachen seines
  1838. Zeltes! $30$ Siehe, er breitet darüber sein Licht aus, und
  1839. die Wurzeln des Meeres bedeckt er. $31$ Ja, in den Wolken
  1840. richtet er die Völker, gibt Nahrung im Überfluβ. $32$ Seine
  1841. Hände umhüllt er mit dem Blitzstrahl und entbietet ihn gegen
  1842. [den], auf den er [ihn] treffen lassen will. $33$ Es kündigt
  1843. ihn sein Rollen an, wenn er seinen Zorn gegen Bosheit eifern
  1844. läβt.
  1845.  
  1846. \37\
  1847.  
  1848. $1$ Ja, darüber erbebt mein Herz und fährt auf von seiner
  1849. Stelle. $2$ Hört, hört das Toben seiner Stimme und das
  1850. Grollen, das aus seinem Mund hervorgeht! $3$ Unter dem ganzen
  1851. Himmel läβt er es los und seinen Blitz bis zu den Enden der
  1852. Erde. $4$ Nach ihm brüllt der Donner, er läβt es mit seiner
  1853. erhabenen Stimme donnern. Und er hält die Blitze nicht zurück,
  1854. wenn seine Stimme sich hören läβt. $5$ Gott donnert mit
  1855. seiner Stimme wunderbar. Er tut [so] groβe Dinge, und wir
  1856. erkennen es nicht. $6$ Denn zum Schnee spricht er: Fall zur
  1857. Erde! - und [so auch] zum Regenguβ und zu seinen gewaltigen
  1858. Regengüssen. $7$ Auf die Hand eines jeden Menschen setzt er
  1859. [sein] Siegel, damit alle Menschen sein Werk erkennen. $8$
  1860. Und das Wild geht in sein Versteck und legt sich auf seinen
  1861. Lagern nieder. $9$ Aus der Kammer kommt Sturm hervor und aus
  1862. den Nordwinden Kälte. $10$ Durch den Atem Gottes gibt es Eis,
  1863. und die Weite des Wassers [liegt] in Enge. $11$ Auch mit Naβ
  1864. belastet er die Wolke, streut [weit] umher sein lichtes Gewölk.
  1865. $12$ Und das [zieht] ringsumher, sich hin und her wendend
  1866. nach seiner klugen Steuerung, um auszuführen alles, was er ihnen
  1867. gebietet, über der Fläche des Erdkreises. $13$ Sei es zur
  1868. Züchtigung, sei es für seine Erde, sei es zur Gnade, er läβt sie
  1869. es finden.
  1870.  
  1871. $14$ Nimm dieses zu Ohren, Hiob! Steh still und achte auf die
  1872. Wundertaten Gottes! $15$ Erkennst du es, wenn Gott ihnen
  1873. Auftrag gibt und leuchten läβt das Licht seines Gewölks? $16$
  1874. Erkennst du das Schweben der Wolke, die Wunderwerke dessen, der
  1875. an Erkenntnis vollkommen ist? $17$ Du, dessen Kleider heiβ
  1876. werden, wenn das Land wegen des Südwindes [träge] ruht, $18$
  1877. kannst du gleich ihm die Wolkendecke ausbreiten, die fest ist
  1878. wie ein gegossener Spiegel? $19$ Laβ uns wissen, was wir ihm
  1879. sagen sollen! Nichts können wir vorbringen vor Finsternis.
  1880. $20$ Soll ihm gemeldet werden, daβ ich rede? Oder muβ man es
  1881. [ihm erst] sagen, daβ [etwas] mitgeteilt wird? $21$ Und jetzt
  1882. sieht man das Licht nicht, das durch die Wolken verdunkelt ist;
  1883. aber ein Wind fährt daher und fegt den Himmel rein. $22$ Aus
  1884. dem Norden kommt ein goldener Schein, um Gott ist furchtbare
  1885. Hoheit. $23$ Den Allmächtigen - ihn erreichen wir nicht, den
  1886. Erhabenen an Kraft. Und das Recht und die Fülle der
  1887. Gerechtigkeit beugt er nicht. $24$ Darum fürchten ihn die
  1888. Menschen; er sieht all die Weisheitskundigen nicht an.
  1889.  
  1890. \38\
  1891. Erste Rede Gottes: Fragen nach dem Urheber der Schöpfung, der
  1892. leblosen und belebten Natur.
  1893.  
  1894. $1$ Da antwortete der HERR dem Hiob aus dem Sturm und sprach:
  1895.  
  1896. $2$ Wer ist es, der den Ratschluβ verdunkelt mit Worten ohne
  1897. Erkenntnis? $3$ Gürte doch wie ein Mann deine Lenden! Dann
  1898. will ich dich fragen, und du sollst mich belehren!
  1899.  
  1900. $4$ Wo warst du, als ich die Erde gründete? Teile es mit,
  1901. wenn du Einsicht kennst! $5$ Wer hat ihre Maβe bestimmt, wenn
  1902. du es kennst? Oder wer hat über ihr die Meβschnur ausgespannt?
  1903. $6$ Worauf sind ihre Sockel eingesenkt? Oder wer hat ihren
  1904. Eckstein gelegt, $7$ als die Morgensterne miteinander
  1905. jubelten und alle Söhne Gottes jauchzten?
  1906.  
  1907. $8$ Wer hat das Meer mit Türen verschlossen, als es
  1908. hervorbrach, dem Mutterschoβ entquoll, $9$ als ich Gewölk zu
  1909. seinem Gewand machte und Wolkendunkel zu seinen Windeln $10$
  1910. und ich ihm meine Grenze zog und Riegel und Türen einsetzte
  1911. $11$ und sprach: Bis hierher kommst du und nicht weiter, und
  1912. hier soll aufhören der Stolz deiner Wellen?
  1913.  
  1914. $12$ Hast du einmal in deinem Leben dem Morgen geboten? Hast
  1915. du die Morgenröte ihre Stätte wissen lassen, $13$ damit sie
  1916. die Enden der Erde erfasse, so daβ die Gottlosen von ihr
  1917. abgeschüttelt werden? $14$ Sie verwandelt sich wie Siegelton,
  1918. und alles steht da wie ein Kleid; $15$ und den Gottlosen wird
  1919. ihr Licht entzogen, und der erhobene Arm wird zerbrochen.
  1920.  
  1921. $16$ Bist du gekommen bis zu den Quellen des Meeres, und hast
  1922. du den Urgrund der Tiefe durchwandelt? $17$ Sind dir die Tore
  1923. des Todes aufgedeckt worden, und hast du die Tore der Finsternis
  1924. gesehen? $18$ Hast du auf die Breiten der Erde geachtet?
  1925. Teile es [mir] mit, wenn du das alles erkannt hast!
  1926.  
  1927. $19$ Wo ist denn der Weg dahin, wo das Licht wohnt? Und die
  1928. Finsternis - wo ist denn ihre Stätte, $20$ so daβ du sie in
  1929. ihr Gebiet bringen könntest und daβ dir die Pfade zu ihrem Haus
  1930. bekannt wären? $21$ Du hast es [ja] erkannt, denn damals
  1931. warst du [schon] geboren, und die Zahl deiner Tage ist groβ!
  1932.  
  1933. $22$ Bist du bis zu den Vorräten des Schnees gekommen, und
  1934. hast du die Vorräte des Hagels gesehen, $23$ die ich
  1935. aufgespart habe für die Zeit der Not, für den Tag des Kampfes
  1936. und der Schlacht?
  1937.  
  1938. $24$ Wo denn ist der Weg, auf dem das Licht sich verteilt,
  1939. der Ostwind sich über die Erde zerstreut? $25$ Wer furchte
  1940. der Regenflut einen Wassergraben und einen Weg der donnernden
  1941. Gewitterwolke, $26$ um regnen zu lassen auf ein Land ohne
  1942. Menschen, auf die Wüste, in der kein Mensch ist, $27$ um zu
  1943. sättigen die Öde und Verödung und um hervorsprieβen zu lassen
  1944. die Triebe des frischen Grases?
  1945.  
  1946. $28$ Hat der Regen einen Vater, oder wer hat die Tautropfen
  1947. gezeugt? $29$ Aus wessen Schoβ kam das Eis hervor, und des
  1948. Himmels Reif, wer hat ihn geboren, $30$ wenn sich das Wasser
  1949. wie in einem Stein versteckt hält und die Fläche der Tiefe fest
  1950. gefügt ist?
  1951.  
  1952. $31$ Knüpfst du die Bänder des Siebengestirns, oder löst du
  1953. die Fesseln des Orion? $32$ Kannst du die Tierkreisbilder
  1954. hervortreten lassen zu ihrer Zeit und den Groβen Bären leiten
  1955. samt seinen Jungen? $33$ Hast du die Ordnungen des Himmels
  1956. erkannt, oder bestimmst du seine Herrschaft auf der Erde?
  1957.  
  1958. $34$ Erhebst du deine Stimme zum Gewölk, so daβ der Schwall
  1959. des Wassers dich bedeckt? $35$ Entsendest du Blitze, so daβ
  1960. sie hinfahren und zu dir sagen: Hier sind wir? $36$ Wer hat
  1961. Weisheit in den Ibis gelegt, oder wer hat dem Hahn Verstand
  1962. gegeben? $37$ Wer kann in Weisheit die Wolken zählen, und die
  1963. Krüge des Himmels - wer kippt sie um, $38$ wenn das Erdreich
  1964. hart wird wie gegossenes Metall und die Schollen
  1965. aneinanderkleben?
  1966.  
  1967. $39$ Erjagst du für die Löwin die Beute, und stillst du die
  1968. Gier der jungen Löwen, $40$ wenn sie sich auf [ihren] Lagern
  1969. ducken, im Dickicht auf der Lauer sitzen? $41$ Wer stellt dem
  1970. Raben sein Futter bereit, wenn seine Jungen zu Gott schreien,
  1971. umherirren ohne Nahrung?
  1972.  
  1973. \39\
  1974.  
  1975. $1$ Kennst du die Wurfzeit der Steinböcke? Beobachtest du das
  1976. Kreiβen der Hirschkühe? $2$ Zählst du die Monate, die sie
  1977. erfüllen müssen, und kennst du die Zeit ihres Werfens? $3$
  1978. Sie kauern sich, lassen ihre Jungen durchbrechen, entledigen
  1979. sich ihrer Wehen. $4$ Ihre Kinder werden stark, wachsen auf
  1980. im Freien; sie ziehen hinaus und kehren nicht [mehr] zu ihnen
  1981. zurück.
  1982.  
  1983. $5$ Wer hat den Wildesel frei laufen lassen, und wer hat die
  1984. Fesseln des Wildlings gelöst, $6$ dem ich die Steppe zur
  1985. Behausung machte und zu seiner Wohnung das salzige Land? $7$
  1986. Er lacht über das Getümmel der Stadt, das Geschrei des Treibers
  1987. hört er nicht. $8$ Was er auf den Bergen erspäht, ist seine
  1988. Weide, und allem Grünen spürt er nach.
  1989.  
  1990. $9$ Wird der Büffel dir dienen wollen, oder wird er an deiner
  1991. Krippe übernachten? $10$ Hältst du den Büffel in der Furche
  1992. an seinem Seil, oder wird er die Talgründe hinter dir her eggen?
  1993. $11$ Traust du ihm, weil seine Kraft so groβ ist, und
  1994. überläβt du ihm deine Arbeit? $12$ Kannst du dich auf ihn
  1995. verlassen, daβ er dein Korn heimbringt und [das Getreide für]
  1996. deine Tenne einsammelt?
  1997.  
  1998. $13$ Munter schwingt sich der Flügel der Strauβenhenne - ist
  1999. es die Schwinge des Storches oder des Falken? $14$ Denn sie
  2000. überläβt ihre Eier der Erde und läβt sie auf dem Staub warm
  2001. werden. $15$ Und sie vergiβt, daβ ein Fuβ sie zerdrücken und
  2002. das Wild des Feldes sie zertreten kann. $16$ Sie behandelt
  2003. ihre Jungen hart, als gehörten sie ihr nicht. War ihre Mühe
  2004. umsonst, es erschüttert sie nicht. $17$ Denn Gott lieβ sie
  2005. die Weisheit vergessen und gab ihr keinen Anteil an der
  2006. Einsicht. $18$ Wenn sie dann aber in die Höhe schnellt, lacht
  2007. sie über das Roβ und seinen Reiter.
  2008.  
  2009. $19$ Gibst du dem Roβ die Kraft, bekleidest du seinen Hals
  2010. mit einer Mähne? $20$ Bringst du es zum Springen wie die
  2011. Heuschrecke? Schrecklich ist sein hoheitsvolles Schnauben.
  2012. $21$ Es scharrt in der Ebene und freut sich an [seiner]
  2013. Kraft; es zieht aus, den Waffen entgegen. $22$ Es lacht über
  2014. die Furcht und erschrickt nicht und kehrt vor dem Schwert nicht
  2015. um. $23$ Über ihm klirrt der Köcher, die Klinge von Speer und
  2016. Krummschwert. $24$ Mit Ungestüm und Erregung schlürft es den
  2017. Boden und läβt sich nicht halten, wenn das Horn ertönt. $25$
  2018. Sooft das Horn erklingt, ruft es: Hui! Und [schon] von weitem
  2019. wittert es die Schlacht, das Lärmen der Obersten und das
  2020. Kriegsgeschrei.
  2021.  
  2022. $26$ Schwingt sich kraft deiner Einsicht der Habicht empor,
  2023. breitet seine Flügel aus für den Südwind? $27$ Oder erhebt
  2024. sich auf deinen Befehl der Geier so hoch und baut in der Höhe
  2025. sein Nest? $28$ Den Fels bewohnt er und horstet [dort] auf
  2026. der Felsenzacke und der Bergfeste. $29$ Von dort aus erspäht
  2027. er Nahrung, in die Ferne blicken seine Augen. $30$ Seine
  2028. Jungen gieren nach Blut, und wo Erschlagene sind, da ist er.
  2029.  
  2030. \40\
  2031. Hiobs Antwort: Einsichtige Zurücknahme der Anklagen gegen Gott.
  2032.  
  2033. $1$ Und der HERR antwortete dem Hiob und sprach:
  2034.  
  2035. $2$ Mit dem Allmächtigen will der Tadler rechten? Der da Gott
  2036. zurechtweist, er antworte darauf!
  2037.  
  2038. $3$ Da antwortete Hiob dem HERRN und sagte:
  2039.  
  2040. $4$ Siehe, zu gering bin ich! Was kann ich dir erwidern? Ich
  2041. lege meine Hand auf meinen Mund. $5$ Einmal habe ich geredet,
  2042. und ich will nicht [mehr] antworten; und zweimal, und ich will
  2043. es nicht wieder tun.
  2044.  
  2045. \40\
  2046. Zweite Rede Gottes: Beweis der Macht Gottes durch Bestrafung der
  2047. Hochmütigen - Seine Gewalt über den Behemot und den Leviatan.
  2048.  
  2049. $6$ Und der HERR antwortete Hiob aus dem Sturm und sprach:
  2050.  
  2051. $7$ Gürte doch wie ein Mann deine Lenden! Ich will dich
  2052. fragen, und du sollst mich belehren! $8$ Willst du etwa mein
  2053. Recht zerbrechen, mich für schuldig erklären, damit du gerecht
  2054. dastehst? $9$ Oder hast du einen Arm wie Gott, und donnerst
  2055. du mit einer Stimme wie er? $10$ Schmücke dich doch mit
  2056. Erhabenheit und Hoheit, in Majestät und Pracht kleide dich!
  2057. $11$ Streue die Ausbrüche deines Zornes umher und schau alles
  2058. Hochmütige an und erniedrige es! $12$ Schau alles Hochmütige
  2059. an, beuge es und tritt die Gottlosen nieder auf ihrer Stelle!
  2060. $13$ Verbirg sie allesamt im Staub, banne sie selbst an einen
  2061. verborgenen Ort! $14$ Dann werde auch ich dich preisen, weil
  2062. deine Rechte dir zur Hilfe kommt.
  2063.  
  2064. $15$ Sieh doch den Behemot, den ich mit dir gemacht habe!
  2065. Gras friβt er wie das Rind. $16$ Sieh doch seine Kraft in
  2066. seinen Lenden und seine Stärke in den Muskeln seines Bauches!
  2067. $17$ Er läβt seinen Schwanz gleich einer Zeder hängen, die
  2068. Sehnen seiner Schenkel sind [dicht] geflochten. $18$ Röhren
  2069. aus Bronze sind seine Knochen und seine Gebeine wie Stangen aus
  2070. Eisen. $19$ Er ist der Anfang der Wege Gottes. Der ihn
  2071. gemacht, hat [ihm] sein Schwert beschafft. $20$ Denn die
  2072. Berge bringen ihm Tribut, und alle Tiere des Feldes, die dort
  2073. spielen. $21$ Unter Lotosbüschen lagert er im Versteck von
  2074. Rohr und Sumpf. $22$ Die Lotosbüsche, sein Schatten, bedecken
  2075. ihn; es umgeben ihn die Bachpappeln. $23$ Siehe, der Strom
  2076. schwillt mächtig an - er hastet nicht davon. Er fühlt sich
  2077. sicher, [selbst] wenn ein Jordan gegen sein Maul hervorbricht.
  2078. $24$ [Wer] kann ihm in seine Augen greifen, ihm in der Falle
  2079. die Nase durchbohren?
  2080.  
  2081. $25$ Ziehst du den Leviatan mit der Angel herbei, und hältst
  2082. du mit dem Seil seine Zunge nieder? $26$ Kannst du einen
  2083. Binsenstrick durch seine Nase ziehen und mit einem Dorn seine
  2084. Kinnlade durchbohren? $27$ Wird er dich lange anflehen oder
  2085. dir schmeichelnde Worte geben? $28$ Wird er einen Bund mit
  2086. dir schlieβen, daβ du ihn zum Knecht nimmst für ewig? $29$
  2087. Willst du mit ihm spielen wie mit einem Vogel und ihn für deine
  2088. Mädchen anbinden? $30$ Werden die Handelsgenossen um ihn
  2089. feilschen, ihn verteilen unter die Kaufleute? $31$ Kannst du
  2090. seine Haut mit Spieβen spicken und seinen Kopf mit der
  2091. Fischharpune? $32$ Lege nur deine Hand an ihn! Denk an den
  2092. Kampf! Du wirst es nicht noch einmal tun!
  2093.  
  2094. \41\
  2095.  
  2096. $1$ Siehe, die Hoffnung auf ihn erweist sich als trügerisch.
  2097. Wird man nicht schon bei seinem Anblick niedergeworfen? $2$
  2098. Niemand ist so tollkühn, daβ er ihn aufreizte. - Und wer ist es,
  2099. der vor mir bestehen könnte? $3$ Wer hat mir zuvor gegeben,
  2100. daβ ich ihm vergelten sollte? [Was] unter dem ganzen Himmel
  2101. [ist], mir gehört es!
  2102.  
  2103. $4$ Nicht schweigen will ich von seinen Gliedern und von
  2104. seiner Kraftfülle und von der Schönheit seines Baues. $5$ Wer
  2105. deckte die Oberseite seines Gewandes auf? In sein Doppelgebiβ,
  2106. wer dringt da hinein? $6$ Wer öffnete die Türflügel seines
  2107. Gesichts? Rings um seine Zähne [lauert] Schrecken. $7$ Ein
  2108. Stolz sind die Schuppenreihen, verschlossen und fest versiegelt.
  2109. $8$ Eins fügt sich ans andere, und kein Hauch dringt
  2110. dazwischen, $9$ eins haftet am andern, sie greifen ineinander
  2111. und trennen sich nicht. $10$ Sein Niesen strahlt Licht aus,
  2112. und seine Augen sind wie die Wimpern der Morgenröte. $11$ Aus
  2113. seinem Rachen schieβen Fackeln, sprühen feurige Funken hervor.
  2114. $12$ Aus seinen Nüstern fährt Rauch wie aus einem angefachten
  2115. und glühenden Kochtopf. $13$ Sein Atem entzündet Kohlen, und
  2116. eine Flamme fährt aus seinem Rachen. $14$ In seinem Hals
  2117. wohnt Stärke, und vor ihm hüpft die Angst her. $15$ Die
  2118. Wampen seines Fleisches haften zusammen, sind ihm fest
  2119. angegossen, unbeweglich. $16$ Sein Herz ist fest wie Stein
  2120. und fest wie der untere Mühlstein. $17$ Vor seinem Erheben
  2121. fürchten sich Machthaber, vor Bestürzung ziehen sie sich zurück.
  2122. $18$ Trifft man ihn mit dem Schwert, es hält nicht stand,
  2123. noch Speer, noch Wurfspieβ oder Harpune. $19$ Er hält Eisen
  2124. für Stroh [und] Kupfer für faules Holz. $20$ Der Pfeil kann
  2125. ihn nicht vertreiben, Schleudersteine verwandeln sich für ihn in
  2126. Stoppeln. $21$ Wie Stoppeln gilt ihm die Keule, und er lacht
  2127. über den Aufprall des Krummschwertes. $22$ Unter ihm sind
  2128. Scherbenspitzen, auf dem Schlamm breitet er einen
  2129. Dreschschlitten aus. $23$ Er bringt die Meerestiefe zum
  2130. Sieden wie einen Kochtopf, macht das Meer wie einen Salbentopf.
  2131. $24$ Hinter sich läβt er den Pfad hell werden, man hält die
  2132. Tiefe für graues Haar. $25$ Auf Erden ist keiner ihm gleich,
  2133. ihm, der zur Unerschrockenheit geschaffen ist. $26$ Auf alles
  2134. Hohe blickt er [herab]; er ist König über alles stolze Wild.
  2135.  
  2136. \42\
  2137. Hiobs Antwort: Anerkenntnis der Gröβe Gottes und buβfertiger
  2138. Widerruf seiner Anklagen.
  2139.  
  2140. $1$ Und Hiob antwortete dem HERRN und sagte:
  2141.  
  2142. $2$ Ich habe erkannt, daβ du alles vermagst und kein Plan für
  2143. dich unausführbar ist. $3$ `Wer ist es, der den Ratschluβ
  2144. verhüllt ohne Erkenntnis?' So habe ich denn [meine Meinung]
  2145. mitgeteilt und verstand [doch] nichts, Dinge, die zu wunderbar
  2146. für mich sind und die ich nicht kannte. $4$ Höre doch, und
  2147. ich will reden! Ich will dich fragen, und du sollst es mich
  2148. wissen lassen! $5$ Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört,
  2149. jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. $6$ Darum verwerfe ich
  2150. [mein Geschwätz] und bereue in Staub und Asche.
  2151.  
  2152. \42\
  2153. Verurteilung und Begnadigung der Freunde Hiobs - Hiobs
  2154. Rechtfertigung.
  2155.  
  2156. $7$ Und es geschah, nachdem der HERR jene Worte zu Hiob
  2157. geredet hatte, da sprach der HERR zu Elifas, dem Temaniter: Mein
  2158. Zorn ist entbrannt gegen dich und gegen deine beiden Freunde:
  2159. Denn ihr habt über mich nicht Wahres geredet wie mein Knecht
  2160. Hiob. $8$ Und nun nehmt euch sieben Jungstiere und sieben
  2161. Widder und geht zu meinem Knecht Hiob und opfert ein Brandopfer
  2162. für euch! Und Hiob, mein Knecht, soll für euch Fürbitte tun. Nur
  2163. ihn will ich annehmen, damit ich euch nicht Schimpfliches antue.
  2164. Denn ihr habt über mich nicht Wahres geredet, wie mein Knecht
  2165. Hiob.
  2166.  
  2167. $9$ Da gingen Elifas, der Temaniter, und Bildad, der
  2168. Schuchiter, [und] Zofar, der Naamatiter, hin und taten es, wie
  2169. der HERR zu ihnen geredet hatte. Und der HERR nahm Hiob an.
  2170.  
  2171. \42\
  2172. Gottes Segen über Hiob.
  2173.  
  2174. $10$ Und der HERR wendete das Geschick Hiobs, als der für
  2175. seine Freunde Fürbitte tat. Und der HERR vermehrte alles, was
  2176. Hiob gehabt hatte, auf das Doppelte. $11$ Da kamen zu ihm all
  2177. seine Brüder und all seine Schwestern und alle, die ihn früher
  2178. gekannt hatten. Und sie aβen mit ihm Brot in seinem Haus, und
  2179. sie bekundeten ihm ihre Teilnahme und trösteten ihn wegen all
  2180. des Unglücks, das der HERR über ihn gebracht hatte. Und sie
  2181. gaben ihm jeder eine Kesita und jeder einen goldenen Ring.
  2182. $12$ Und der HERR segnete das Ende Hiobs mehr als seinen
  2183. Anfang. Und er bekam vierzehntausend Schafe und sechstausend
  2184. Kamele und tausend Gespanne Rinder und tausend Eselinnen.
  2185. $13$ Und es wurden ihm sieben Söhne und drei Töchter
  2186. [geboren]. $14$ Und er gab der ersten den Namen Jemima und
  2187. der zweiten den Namen Kezia und der dritten den Namen
  2188. Keren-Happuch. $15$ Und so schöne Frauen wie die Töchter
  2189. Hiobs fand man im ganzen Land nicht. Und ihr Vater gab ihnen ein
  2190. Erbteil mitten unter ihren Brüdern.
  2191.  
  2192. $16$ Und Hiob lebte nach diesen [Ereignissen noch] 140 Jahre.
  2193. Und er sah seine Kinder und seine Kindeskinder, vier
  2194. Generationen. $17$ Und Hiob starb, alt und der Tage satt.
  2195.